Wann sind Fortbildungskosten zurückzuzahlen?

BAG Rechtsprechung zu Fortbildungsvereinbarungen

Wenn Arbeitnehmer im Laufe eines Arbeitsverhältnisses Fortbildungen absolvieren, von denen sowohl der Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer einen Nutzen haben, ist es üblich, dass die Vertragsparteien darüber eine Vereinbarung treffen. Üblicherweise will der Arbeitgeber den Mitarbeitenden für eine gewisse Dauer im Unternehmen binden und darüber hinaus Regelungen treffen, unter welchen Voraussetzungen der Mitarbeiter gegebenenfalls zur Rückzahlung von Fortbildungskosten, bzw. Teilen davon, verpflichtet ist.

Solche Fortbildungsvereinbarungen stellen in der Regel sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Die Fallstricke für Arbeitgeber bei der Erstellung solcher Vereinbarungen sind zahlreich und gehen im Falle von Fehlern bei der Vertragsgestaltung mit empfindlichen Rechtsfolgen einher. Schlimmstenfalls ist die gesamte Vereinbarung unwirksam und eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Betriebstreue oder Beteiligung an den Fortbildungskosten entfällt.

In der Vergangenheit hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung zu diesem Thema entwickelt, die für den Laien kaum mehr zu überblicken ist. Die nachfolgende Zusammenfassung soll einen kurzen Überblick über die derzeitige Rechtslage geben. Sie erhebt jedoch ausdrücklich weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch will sie Gewährleistung für Aktualität geben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine Rückzahlung der Fortbildungskosten grundsätzlich dann zulässig, wenn der Arbeitgeber ein Interesse an der Fortbildung des Arbeitnehmers hat (BAG 18.3.2014 – 9 AZR 545/12). Dieses Interesse besteht, wenn der Arbeitgeber die erworbene Qualifikation möglichst langfristig im Betrieb nutzen will (BAG 11.4. 2006 – 9 AZR 610/05). Eine Rückzahlung der Kosten ist dementsprechend nur bei Vorliegen dieses Interesses als Ausgleich für die finanziellen Aufwendungen des Arbeitgebers zulässig, wenn die Qualifikation aufgrund des sich frühzeitig abkehrenden Arbeitnehmers nicht mehr genutzt werden kann (BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05).

Die Klausel darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann z.B. vorliegen, wenn der Arbeitnehmer unangemessen lange an das Arbeitsverhältnis gebunden wird. Ob eine zu lange Bindungsfrist gegeben ist, wird anhand einer Einzelfallabwägung ermittelt, bei der die Vorteile der Fortbildung für den Arbeitnehmer gegenüber den Nachteilen der Bindungsdauer abgewogen werden (BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07). Das BAG hat zur Hilfestellung Regelwerte entwickelt, wonach bei einem Monat Fortbildungsdauer üblicherweise sechs Monate Bindungsdauer zulässig sein sollen, bei 2 Monaten ein Jahr, bei drei bis vier Monaten zwei Jahre, bei sechs bis zwölf Monaten drei Jahre und bei zwei Jahren Fortbildungsdauer bis zu fünf Jahre (BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07). Eine Abweichung von den Regelwerten ist im Einzelfall aber möglich (BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05).

Das BAG hat zudem entschieden, dass eine Anknüpfung der Kostentragungspflicht an die Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig sein kann (BAG 18.12.2018 – 9 AZR 383/18). Diese Anknüpfung darf aber nicht das rechtlich anerkannte Interesse des Arbeitnehmers auf Kündigungsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz unangemessen beeinträchtigen, ohne durch ein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen zu sein (BAG 19.1.2011 – 3 AZR 621/08). Zudem müssen die Interessen beider Parteien berücksichtigt werden (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18). Eine unangemessene Beeinträchtigung kann z.B. vorliegen, wenn die Rückzahlung ohne weitere Differenzierung nur an eine durch den Arbeitnehmer erklärte Kündigung an sich geknüpft wird (BAG 18.3.2014 – 9 AZR 545/12). Diese Form der Anknüpfung greift bei jeder und damit auch bei einer durch den Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Aufgrund der Kündigung wird die Fortbildung für den Arbeitgeber nachträglich wertlos und stellt somit eine fehlgeschlagene Investition für diesen dar, die dann der Arbeitnehmer tragen muss. Dies führt zu einer fehlenden Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen und dieser wird dadurch unangemessen beeinträchtigt (BAG 18.3.2014 – 9 AZR 545/12).

Eine unangemessene Beeinträchtigung liegt auch dann vor, wenn die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer aus anderen Gründen nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist, wie z. B. bei einer Eigenkündigung aufgrund des unverschuldeten Wegfalls der medizinischen Tauglichkeit und der gleichzeitigen Suspendierung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18).

Die Bindung an das Arbeitsverhältnis ist nur dann zulässig, wenn der Fortbildungsvorteil noch vorhanden ist und der Arbeitgeber die erworbene Qualifikation noch nutzen kann (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18). Eine Anknüpfung der Rückzahlungsklausel an die Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann demzufolge zulässig sein, wenn der Arbeitnehmer durch eigene Betriebstreue das Einsetzen der Rückzahlungspflicht beeinflussen kann (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18). Daher muss bei einer Rückzahlungsklausel danach differenziert werden, ob der Grund des vorzeitigen Ausscheidens aus der Sphäre des Arbeitgebers oder aus der Arbeitnehmersphäre stammt (BAG 18.3.2014 – 9 AZR 545/12).

Hat der Arbeitnehmer es nämlich nicht mehr in der Hand, seine Betriebstreue und damit das Einsetzen der Rückzahlungspflicht durch eigenes Tun zu beeinflussen (z.B. im Falle einer personenbedingten Kündigung infolge dauerhafter Arbeitsunfähigkeit), so wäre es unbillig, ihm gleichwohl die Verpflichtung zur Rückzahlung der Fortbildungskosten aufzuerlegen.
Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist eine wirksame Fortbildungsvereinbarung sprichwörtlich Gold wert. Jedoch hat jeder Einzelfall seine individuellen Besonderheiten und Tücken. Die Rechtsprechung entwickelt sich zudem ständig fort. Eine Kenntnis dieser Rechtsprechung ist für die rechtssichere Vertragsgestaltung unerlässlich kann im Ergebnis über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Eine individuelle Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht ist daher zwingend anzuraten.

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