Aktuelle Rechtsprechung
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Zum Thema Arbeitsrecht
- Dokumentation durch Arbeitgeber: Fristlose Kündigung nach sexueller Belästigung einer Auszubildenden rechtmäßig
- Fiktive Beförderung: Nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied bekommt mehr Gehalt zugesprochen
- Mindestlohn im Ashram: Rückwirkende Zahlung von 42.000 EUR an Volljuristin für dreijährigen Sevadienst
- Wegfall eines Arbeitsplatzes: Aufteilung von Restaufgaben muss konkret dargestellt werden
- Wenn, dann richtig: Urlaub muss als solcher eindeutig gewährt werden, um entsprechend anrechenbar zu sein
Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu beschützen. Im folgenden Fall vor dem Arbeitsgericht Solingen (ArbG) ist der Arbeitgeber dieser Verpflichtung dadurch nachgekommen, dass er die fristlose Kündigung seines Arbeitnehmers auf ein stabiles Fundament aufgrund der lückenlosen Dokumentation stellen konnte.
Ein Arbeitnehmer war zunächst als Leiharbeiter im Bereich Lagerlogistik tätig und wurde im Jahr 2022 vom Entleiher unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Mehrere Arbeitskolleginnen informierten am 28.08.2023 den direkten Vorgesetzten darüber, dass eben jener Arbeitnehmer eine Auszubildende mehrfach sexuell belästigt habe. Der Arbeitgeber leitete Ermittlungen ein und hörte die Auszubildende und den Arbeitnehmer an. Die Auszubildende schilderte, dass sie mehrfach von dem Arbeitnehmer am Bein, Hintern, der Brust und im Schritt berührt worden sei. Zudem habe er auch ihre Hand an seinen Schritt gelegt. Sie habe zwar andere Kolleginnen gewarnt, sich selbst jedoch nicht getraut, den Arbeitnehmer bei Vorgesetzten zu melden. An einem anderen Tag habe der Arbeitnehmer sich an ihr gerieben und sie zum Oralverkehr aufgefordert. Aus Angst habe sie mitgemacht. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich sowohl als Tat- als auch als Verdachtskündigung. Der Arbeitnehmer klagte hiergegen und bestritt sämtliche Anschuldigungen. Diese seien frei erfunden und strafbare Verleumdungen.
Das ArbG wies die Klage ab - die fristlose Kündigung war wirksam. Der Arbeitgeber habe den Sachverhalt umfassend ermittelt und Protokolle der Gespräche mit der Auszubildenden, weiteren Kollegen sowie WhatsApp-Chat-Protokolle vorgelegt. Aus diesen hätten sich nachvollziehbar und glaubhaft mehrere sexuelle Belästigungen durch den Arbeitnehmer ergeben. Dieser habe die Angst und Unsicherheit der Auszubildenden sowie seine Machtposition ausgenutzt. Anderslautende Erklärungen oder Darstellungen des Arbeitnehmers seien nicht glaubhaft und bloße Schutzbehauptungen. Er habe sogar versucht, sich als Opfer darzustellen. Eine Einsicht in Fehlverhalten und eine Entschuldigung seien nicht erfolgt.
Hinweis: Liegt nach langjähriger Tätigkeit im Betrieb ein erstmaliges geringeres Fehlverhalten vor, ist eine Kündigung ohne Abmahnung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Zu welchen Mitteln ein Arbeitgeber greifen sollte, hängt auch vom sogenannten Nachtatverhalten ab.
Quelle: ArbG Solingen, Urt. v. 11.04.2024 - 2 Ca 1497/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Die Vergütung von freigestellten Betriebsräten führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern. Hier ging es um ein nichtfreigestelltes Mitglied, das folglich zwei Aufgabenbereiche gleichzeitig zu bewerkstelligen hatte: seine Arbeit und die Betriebsratstätigkeit. Ob sich diese Doppelbelastung auf die übliche Beförderungspraxis zum Nachteil des Mitarbeiters niederschlagen darf, entschied das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG).
Der Arbeitnehmer, ein Unternehmensberater bei einer großen Beratungsfirma, arbeitete im Projektgeschäft und war gleichzeitig nicht freigestelltes Mitglied im Betriebsrat. Seine Betriebsratstätigkeit hatte zur Folge, dass er in der internen Projektzuteilung immer häufiger leer ausging. Die Folge war, dass der Arbeitnehmer in den jährlich stattfindenden Beförderungsrunden keine Berücksichtigung fand. In seiner Klage berief sich der Beschäftigte auf den Entgeltschutz für Betriebsräte nach § 37 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) - er verlangte eine höhere Bezahlung und stellte sich auf den Standpunkt, dass er entsprechend seiner Vergleichsgruppe höher eingestuft werden müsse. Das begründete er damit, dass seine vergleichbaren Kollegen wesentlich kürzer auf den jeweiligen Stellen arbeiteten, bevor sie befördert wurden.
Das LAG entschied in der Tat zugunsten des Arbeitnehmers. Denn das Gericht war davon überzeugt, dass der Arbeitnehmer nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht in den Genuss eines weiteren beruflichen Aufstiegs gekommen sei. Für den Beschäftigten bestehe deshalb ein Anspruch auf eine fiktive Beförderung nach § 78 Satz 2 BetrVG.
Hinweis: Die Reform der Betriebsratsvergütung ist Ende Juli 2024 in Kraft getreten. Seitdem ist das Benachteiligungsverbot durch einen Mindestvergütungsanspruch ergänzt worden. So darf das Arbeitsentgelt von Betriebsräten nicht geringer bemessen werden als das Entgelt vergleichbarer Kollegen mit betriebsüblicher Entwicklung.
Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 17.03.2024 - 10 Sa 923/22
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(aus: Ausgabe 10/2024)
An das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) wurde folgender Fall zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Einem Yoga-Ashram-Verein wurde zuvor die Ausnahme für eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft verweigert. Außerhalb des damit verbundenen Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts musste das LAG nun entscheiden, was eine einstige Ashramjüngerin rückwirkend für ihre dortigen Dienste erwarten dürfe.
Der gemeinnützige und eingetragene Verein betrieb mehrere Zentren und Seminarhäuser. Es ging letztendlich um Yoga-Ashrams. Dort waren Mitarbeiter als sogenannte Sevakas (Aspiranten, Lernende, Yoga-Schüler, Übende) tätig. Diese lebten für einige Zeit in einem Ashram des Vereins und verrichteten entsprechende Sevadienste in der Küche, im Haushalt, im Garten, in der Gebäudeunterhaltung, in der Werbung und in der Buchhaltung. Auch der Yoga-Unterricht und die Leitung von Seminaren gehörten zu ihren Aufgaben. Eine der Mitarbeiterinnen war ursprünglich als Volljuristin tätig, bevor sie sich als Sevaka verdingte. Nach dem Austritt aus dem Verein machte sie nun geltend, es hätte sich bei ihrem Sevadienst um ein Arbeitsverhältnis gehandelt, und daher müsse sie rückwirkend auch eine Vergütung erhalten, die über das vom Verein gezahlte "Taschengeld" hinausginge.
Das LAG entschied in der Tat, dass der Verein für dreieinhalb Jahre insgesamt rund 42.000 EUR brutto nachzuzahlen habe. Maßgeblich seien die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie weitere Zeiten mit Vergütungspflicht. Hierfür falle der gesetzliche Mindestlohn an. Der Verein könne sich nicht darauf berufen, dass der Dienst für eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft erbracht worden sei. Diese Ausnahme sei hier nicht gegeben, vielmehr bestehe daher ein Arbeitsverhältnis. Auch die Vereinsautonomie stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen.
Hinweis: Falls Ihnen der Fall bekannt vorkommt, könnte das daran liegen, dass sich bereits das BAG damit auseinandersetzen musste. Dieses hatte entschieden, dass in dieser Sache keine Ausnahme für eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft gemacht werden durfte, und sie daher an das LAG zurückverwiesen.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 14.05.2024 - 6 Sa 1128/23
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Mit diesem Urteil wird deutlich, welche Argumente Arbeitgeber vortragen müssen, um bei einer Einsparung von Personal vor den Arbeitsgerichten erfolgreich zu sein. Das Arbeitsgericht Erfurt (ArbG) musste davon überzeugt werden, dass die betriebsbedingte Kündigung eines Hauswarts unvermeidlich war. Und so viel sei gesagt: Es ist dem Arbeitgeber nicht gelungen.
Ein 61-jähriger Arbeitnehmer war in einem Hotel als einziger Hausmeister beschäftigt. Dann kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Durch den Geschäftsführer sei eine Unternehmensentscheidung zur Kostenreduzierung getroffen worden - insbesondere zur Reduzierung der Personalkosten. In Umsetzung dieser Kostenreduzierung sei der Beschäftigungsbedarf des Arbeitnehmers weggefallen. Einige Tätigkeiten des Arbeitnehmers seien eingestellt oder ausgelagert worden. Die verbliebenen Arbeiten könnten unproblematisch auf die anderen Mitarbeiter verteilt werden - diese hätten immer Freiräume zur Übernahme zusätzlicher Arbeiten. Das wollte sich der Arbeitnehmer so nicht gefallen lassen und legte erwartungsgemäß eine Kündigungsschutzklage ein. Insbesondere behauptete er, die von ihm erledigten Tätigkeiten könnten nicht ohne weiteres auf andere Arbeitnehmer übertragen werden. Dabei würden Überstunden bei anderen Arbeitnehmern anfallen.
Das ArbG gab dem Arbeitnehmer Recht und meinte ebenfalls, dass die Kündigung sozialwidrig sei. Erschöpfe sich die unternehmerische Entscheidung im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, sei diese vom Kündigungsentschluss selbst kaum zu unterscheiden. Der Arbeitgeber hätte seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit der Arbeitsaufteilung verdeutlichen müssen. Nur so könne ein Gericht überhaupt erst prüfen, ob der Arbeitsplatz wirklich weggefallen sei. Hier habe der Arbeitgeber nicht einmal konkret dargelegt, mit welchen Zeitanteilen der Arbeitnehmer seine jeweiligen Aufgaben wahrgenommen hat. Der Vortrag hierzu war viel zu pauschal und für das ArbG nicht nachprüfbar gewesen. Auch fehlte es an konkretem Vortrag, welche der bisherigen Aufgaben von anderen Mitarbeitern in welchem Umfang bereits übernommen wurden.
Hinweis: Es hätte das Arbeitsvolumen der bisherigen Mitarbeiter dargestellt werden müssen, um zu prüfen, ob die anfallenden Arbeiten von ihnen ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden könnten. Der Arbeitgeber hatte hier entweder gar nichts dazu vorgetragen oder nur pauschal behauptet, die Tätigkeiten seien von den übrigen Mitarbeitern ohne obligatorische Arbeit zu erledigen gewesen. So konnte der Arbeitgeber die Kündigungsschutzklage nicht gewinnen.
Quelle: ArbG Erfurt, Urt. v. 23.04.2024 - 6 Ca 40/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Mal ein paar Tage hintereinander frei zu haben, klingt wie Urlaub. Jedoch ist es rechtlich gesehen noch lange kein Urlaub, wenn ein Arbeitnehmer an mehreren (Arbeits-)Tagen im Jahr frei hat. Dass der Arbeitgeber dafür also entsprechende Urlaubstage anrechnen darf, ist nicht rechtens, wie der Arbeitgeber in einem Barbershop kürzlich vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) lernen musste.
Sein Arbeitnehmer war in Teilzeit in einem Barbershop beschäftigt und arbeitete dort sehr unregelmäßig. An einzelnen Tagen kam er auf viele Überstunden, ein anderes Mal hatte er mehrere Arbeitstage hintereinander frei. Eine nachvollziehbare Aufstellung über seinen Einsatz führte weder er noch sein Arbeitgeber. Dann wurde das Arbeitsverhältnis beendet, und der Arbeitnehmer verlangte - wie so häufig - daraufhin auch die Ausbezahlung seines Urlaubs, die sogenannte Urlaubsabgeltung. Er war nämlich der Auffassung, dass er noch seinen vollen Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Tagen habe, da ihm zu keinem Zeitpunkt Urlaub gewährt worden sei. Schließlich klagte er die Abgeltung der 30 Tage ein. Der Arbeitgeber meinte hingegen, dass der Arbeitnehmer immer wieder freie Arbeitstage gehabt habe und damit seinen Urlaub in Anspruch genommen hatte.
Die LAG-Richter stellten sich jedoch hinter den Arbeitnehmer - der Arbeitgeber wurde zur finanziellen Abgeltung von 30 Urlaubstagen verurteilt. Eine Urlaubsgewährung setze nämlich stets voraus, dass der Arbeitnehmer auch erkennen kann, dass seine Freistellung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs diene und nicht etwa als Freizeitausgleich für Überstunden. Der Arbeitgeber hatte hier aber nie eindeutig Urlaub gewährt, so dass der Urlaubsanspruch noch in voller Höhe bestand.
Hinweis: Das Bundesurlaubsgesetz geht davon aus, dass der Arbeitnehmer den Urlaub beantragt und der Arbeitgeber ihm den Urlaub genehmigt - sofern keine dringenden betrieblichen Gründe oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer bestehen.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 19.03.2024 - 5 Sa 68/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Zum Thema Verkehrsrecht
- Aufschaukelnder Kfz-Anhänger: Käufer sind einfache Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Stützlast zumutbar
- Ersparte Aufwendungen: Taxiunternehmer hat Ersatzanspruch für Großteil der geforderten Mietwagenkosten
- Inkonsequente Beschilderung: Autofahrer müssen nicht allein durch Wechsel des Straßenbelags auf Ende der Parkfläche schließen
- Zu lange Lieferzeit: Rücktrittsrecht eines Autokäufers nach 18 Monaten Wartezeit
- Zurückgetretene Betriebsgefahr: Radfahrer haftet voll für Unfallfolgen nach seinem Vorfahrtsverstoß
Das sogenannte Aufschaukeln eines Kfz ist vielen seit den seinerzeit erschreckenden "Elchtest"-Ergebnissen eines bestimmten Pkw-Modells ein Begriff. Ob sich auch Käufer eines Kfz-Anhängers wirksam gegen das Phänomen eines solchen Aufschaukelns wehren und den Kaufpreis zurückverlangen können, musste das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) bewerten.
Der Inhaber eines Garten- und Landschaftsbaubetriebs bestellte für seinen Betrieb einen Anhänger bei einem Unternehmen für den Handel mit Baumaschinen. Nach Auslieferung des sogenannten "Starrdeichsel-Plattformanhängers mit Zentral-Doppel-Achse" reklamierte der Käufer nach mehr als drei Wochen ein Aufschaukeln des unbeladenen Anhängers im Fahrbetrieb. Deshalb sei der Anhänger mangelhaft. Der Käufer erhob Klage mit dem Ziel, sich vom Kaufvertrag zu lösen und von dem Unternehmen die Rücknahme und Rückübereignung des Anhängers gegen Rückzahlung des Kaufpreises zu verlangen. Das damit befasste Landgericht Kaiserslautern wies diese Klage jedoch ab.
Nun hat das OLG die Klageabweisung bestätigt. Zur Begründung führte der Senat aus, dass ein Mangel des Anhängers im Verfahren nicht bewiesen worden sei. Bei einem Anhängermodell wie diesem müsse für eine ausreichend hohe Anhängerstützlast Sorge getragen werden. Denn bei zu geringer Stützlast könne es technisch bedingt zu einer unzureichenden Belastung der spurführenden Hinterachse des Zug-Lkw kommen. Sollte es bei einer bestimmten Transportsituation nicht möglich sein, die zu transportierende Ladung so zu verteilen, dass eine ausreichend hohe Stützlast erreicht werde, bestehe - neben einer eventuellen Anpassung der Höhe der Anhängerkupplung - aus technischer Sicht die Möglichkeit, diese durch zusätzliches Mitführen von Ballastgewicht zu realisieren (beispielsweise mittels befüllter Big-Bags oder mittels Betonteilen). Das gerichtlich eingeholte Gutachten bestätigte, dass bereits einfache Maßnahmen die gesetzlich vorgeschriebene Stützlast erfüllen und damit das Aufschaukeln des Anhängers verhindern können.
Hinweis: Zu berücksichtigen war hier, dass es sich um einen Handelskauf handelte. Bei einem Handelskauf ist es einem gewerblichen Käufer zuzumuten, innerhalb von zwei Wochen einen Anhänger im Fahrbetrieb mit und ohne Ladung zu prüfen. Mit einer bloßen Inaugenscheinnahme des Anhängers innerhalb der ersten beiden Wochen nach dem Erwerb genügt der Käufer bei einem Kauf unter Handelsleuten den gesetzlichen Vorgaben nicht, um sich seine Gewährleistungsrechte zu erhalten.
Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.07.2024 - 4 U 63/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Wer unverschuldet einen Schaden erleidet, darf diesen vom Schädiger zurückverlangen. Wenn rechtlich davon auszugehen ist, dass dem Geschädigten aber bestimmte Aufwendungen erspart geblieben sind, darf der Schadensersatz entsprechend gekürzt werden. Im Folgenden stellte sich die Frage, ob dies im Fall eines selbständigen Taxifahrers bei den Mietfahrzeugkosten erfolgen darf. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) musste die Antwort finden.
Bei einem Verkehrsunfall wurde das Taxi eines Taxiunternehmers beschädigt, das schließlich vom 17.09.2021 bis zum 14.10.2021 repariert wurde. Für diese Zeit mietete der Geschädigte bei der späteren Klägerin - einem Mietwagenunternehmen - ein Ersatzfahrzeug zum Preis von insgesamt ca. 7.300 EUR netto an und erzielte mit ihm während der Mietdauer Umsätze in Höhe von ca. 7.700 EUR. Seine Ansprüche auf Ersatz der entstandenen Mietwagenkosten trat er an die Klägerin ab. Als diese dann folglich anstelle des geschädigten Taxifahrers auf die gegnerische Versicherung zukam, um die Mietwagenkosten in ganzer Höhe ersetzt zu verlangen, kam es schließlich zum Aufeinandertreffen vor Gericht. Denn der Versicherer des Unfallverursachers war der Ansicht, dass nicht die kompletten Mietwagenkosten zu erstatten seien. Diese seien im Vergleich zum erzielten Gewinn unverhältnismäßig hoch. Während das Landgericht noch die Meinung der Versicherung teilte und die Klage des Taxiunternehmers bzw. der Klägerin abwies, sah das OLG die Angelegenheit anders.
Das OLG vertrat die Auffassung, dass der Taxiunternehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für das angemietete Ersatztaxi habe, da der Ersatz des beschädigten Fahrzeugs für seinen Geschäftsbetrieb unverzichtbar war. Die Kosten seien lediglich um ersparte Eigenaufwendungen von 10 % zu kürzen. Der Taxiunternehmer kann nicht darauf verwiesen werden, einen ihm entgangenen Gewinn geltend machen zu müssen. Ebenfalls war zu berücksichtigen, dass der Taxiunternehmer das Taxi selbst fuhr, ersparte Lohnkosten also nicht zu den erwartbaren Einsparungen gehörten. Bei der Gegenüberstellung seien allenfalls ersparte Betriebskosten in Höhe von pauschal 30 % zu berücksichtigen. In der Gegenüberstellung von Mietkosten und Gewinn überstiegen die Kosten für das Ersatztaxi den im Mietzeitraum erzielten Gewinn um 45 % - von einer Unverhältnismäßigkeit im Sinne einer wirtschaftlich schlechten unverständlichen Entscheidung ist das OLG angesichts dieser Überschreitung jedoch nicht ausgegangen. Das OLG bestätigte demnach den Ersatzanspruch für den Großteil der geforderten Mietwagenkosten.
Hinweis: Wird ein Taxi beim Verkehrsunfall beschädigt, sind grundsätzlich die Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug zu erstatten, wobei ersparte Aufwendungen in Höhe von 10 % der Nettomietkosten anzurechnen sind. Nur wenn die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs unverhältnismäßig sind, kann der Geschädigte ausnahmsweise auf den entgangenen Gewinn verwiesen werden.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 16.07.2024 - 7 U 124/23
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Skurrile Bilder von Schilderwäldern auf deutschen Straßen kennt wohl jeder. Im Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) hatte es ein Autofahrer aber mit dem Gegenteil dessen zu tun, was die meisten Verkehrsteilnehmer zu überfordern droht. Hier fehlte es nämlich an einem entscheidenden Schild - zumindest auch nach Ansicht des OLG. Doch die Kollegen des Amtsgerichts (AG) waren zuvor noch anderer Meinung.
Der Betroffene passierte beim Einbiegen in eine Straße das Verkehrszeichen 290.1, das den Beginn einer eingeschränkten Halteverbotszone anzeigt. In dem darauffolgenden Bereich durften lediglich Anwohner mit einem entsprechenden Parkausweis parken. Etwas später folgte allerdings das Verkehrszeichen 314, das das Parken gegen Entgelt ausdrücklich erlaubt. Dieses Schild zeigte mit einem weißen Pfeil die Richtung an, in der das Parken erlaubt war: Eine durch eingelassene Pflastersteine und eine Bepflanzung gekennzeichnete Fahrbahn von rund 50 Metern Länge. Im Anschluss kehrte die Fahrbahngestaltung wieder zum vorigen Aussehen zurück. Ein zweites Verkehrszeichen 314 - Parkschild mit gegen die Fahrtrichtung zeigendem weißen Pfeil, das ein Ende der beschriebenen Parkzone anzeigte - gab es jedoch nicht. Der Betroffene parkte sein Fahrzeug nach Ende der gesonderten Straßengestaltung rechts am Straßenrand und kaufte sich ein entsprechendes Parkticket. Es kam, wie es kommen musste: Wegen Parkens in einer eingeschränkten Halteverbotszone wurde der Mann verwarnt, und das AG verurteilte ihn wegen fahrlässigen verbotswidrigen Parkens im eingeschränkten Halteverbot zu einer Geldbuße von 25 EUR. Dagegen richtet sich der Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Das OLG ließ die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zu und hob das Urteil des AG auf. Der Betroffene musste die Geldbuße nicht bezahlen. Das Gericht folgte der Meinung der Vorinstanz nämlich nicht, wonach alleine wegen der unterschiedlichen Fahrbahngestaltung durch Pflaster und Pflanzen erkennbar sei, wo das Parken mit Parkschein erlaubt sei und wo nicht. Eine Begehung einer Ordnungswidrigkeit setze voraus, dass die Anordnung, gegen die verstoßen wird, sichtbar, verständlich und auch bestimmt ist. Das gelte auch für die örtlichen Grenzen, an denen eine Zone beginne und ende. Von einem Kraftfahrzeugführer könne nicht gefordert werden, dass er aufgrund der äußeren Umstände - hier der Gestaltung der gekennzeichneten Fahrbahnfläche - zusätzliche Überlegungen zum möglichen Regelungsinhalt eines Verkehrsschilds anstelle. Da der Anfang der erlaubten Parkfläche durch das Verkehrszeichen 314 mit in Fahrtrichtung weisendem weißen Pfeil gekennzeichnet gewesen sei, dürfe der durchschnittliche Kraftfahrer darauf vertrauen, dass auch das Ende der Parkfläche mit einem gegen die Fahrtrichtung weisenden Pfeil gekennzeichnet werde.
Hinweis: Zwar ist für die Geltung des Zeichens 314 eine Kennzeichnung mit Richtungspfeilen nicht zwingend. Nach der Erläuterung Nr. 1 zu Zeichen 314 (Anlage 3 zu § 42 Straßenverkehrs-Ordnung) kann aber der Anfang des erlaubten Parkens durch einen zur Fahrbahn weisenden waagerechten weißen Pfeil im Zeichen und das Ende durch einen solchen von der Fahrbahn wegweisenden Pfeil gekennzeichnet sein.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 28.06.2024 - II ORbs 26/24
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Wer ein Neufahrzeug kauft, weiß, dass dieses meist noch nicht vom Band gelaufen ist. Doch wie lange muss ein Autokäufer auf sein Fahrzeug warten, und welcher Zeitraum ist für eine Wartezeit als angemessen anzusehen? Die Antworten darauf gab das Amtsgericht Hanau (AG).
In einem Kaufvertrag über ein noch herzustellendes Fahrzeug befand sich eine Klausel, nach der es wegen Lieferschwierigkeiten für Bestellungen keinen Liefertermin gebe. Nach mehrfachen Anfragen und einer Fristsetzung von 14 Tagen erklärte der Käufer knapp ein Jahr nach Kaufabschluss dennoch den Rücktritt von dem Vertrag. Hierfür forderte der Händler sodann Schadensersatz in Form von "Stornogebühren" von über 3.000 EUR, da er schließlich ganz ausdrücklich keinen Liefertermin zugesagt habe.
Das AG entschied jedoch, dass sich der Verkäufer durch eine derartige Klausel im Fahrzeugkaufvertrag nicht von der Pflicht befreien kann, den Pkw zumindest innerhalb einer angemessenen Frist zu liefern. Der Fahrzeughändler kann sich nicht eine beliebig lange Lieferzeit vorbehalten. Liefert der Fahrzeughändler ein bestelltes Fahrzeug nicht innerhalb einer angemessenen Frist, kann der Käufer von dem Kaufvertrag zurücktreten, ohne dass dem Händler Stornierungskosten zustehen. Denn die Regelung in dem Kaufvertrag stellt eine vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingung dar, über die sich der Händler letztlich in unzulässiger Weise die Gültigkeit des Vertrags habe vorbehalten wollen. Maßgeblich ist, ob der Käufer tatsächlich eine angemessene Zeit abgewartet hat, innerhalb derer der Händler das Fahrzeug liefern musste. Das ist unter Abwägung der Interessen beider Seiten nach 18 Monaten durchaus der Fall.
Hinweis: Bei der Bestimmung einer angemessenen Frist war für den Kläger zu berücksichtigen, dass er einerseits durch die Bestellung ein zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht lieferbares Neufahrzeug zu gegebener Zeit erhält, und dass andererseits sein Kapital in wesentlicher Höhe durch den Kaufvertrag bis auf weiteres gebunden ist. Auf Seiten des Beklagten war einerseits dessen Interesse und das seiner Kundschaft am Handel auch mit noch zu produzierenden Neufahrzeugen und andererseits das grundsätzlich ihn treffende Risiko zu berücksichtigen.
Quelle: AG Hanau, Urt. v. 31.01.2024 - 39 C 111/23
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Die sogenannte Betriebsgefahr soll jedem Autofahrer vor Augen führen, dass das Führen eines Kfz im Straßenverkehr stets mit Gefahren verbunden ist. Die Folge ist, dass durch ihn bzw. sein Fahrzeug verursachte Schäden auch nach fehlerfreiem Fahren immer auch ein Stück weit "auf seine Kappe" gehen - zumindest zu einem Prozentsatz. Aber natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, und das Landgericht Lübeck (LG) hatte eine solche zu bewerten.
Ein Fahrradfahrer fuhr an einer Landstraße auf einem Radweg, der einen Autobahnzubringer kreuzt - eine Stelle, an der der Autoverkehr Vorfahrt hat. Dem Radfahrer kam dort eine Autofahrerin entgegen, die über diesen Zubringer auf die Autobahn fahren wollte. Als sich die beiden Fahrwege kreuzten, kam es zum Unfall, bei dem der Fahrradfahrer schwer verletzt wurde. Dieser verlangte von der Autofahrerin Schmerzensgeld zu einer Quote von 2/3. Der Radfahrer hat als Kläger vorgetragen, dass er zwar die Vorfahrt missachtet habe, die Autofahrerin aber zu schnell gefahren sei und zudem freie Sicht gehabt habe - sie hätte den Unfall also vermeiden können.
Das LG hat die Klage des Radfahrers als unbegründet abgewiesen und eine Haftung der Autofahrerin verneint. Grundsätzlich besagt die sogenannte Betriebsgefahr zwar, dass der Halter eines Autos immer für Schäden, die durch sein Auto entstanden sind, haftet - ganz egal, ob er einen "Fehler" gemacht hat oder nicht. Die dahinterstehende Idee des Gesetzes ist: Ein Auto im Straßenverkehr zu bewegen, ist per se gefährlich. Wer das tun will, muss für daraus entstehende Schäden haften. Bei einem schwerwiegenden Fehler des Unfallgegners kann diese Betriebsgefahr allerdings zurücktreten - eine Haftung des Halters scheidet dann aus. Hier hatte das LG Zeugen befragt und ein Gutachten eines technischen Sachverständigen eingeholt. Daraus hat sich ergeben, dass die Autofahrerin nicht zu schnell, sondern eher langsam gefahren war und dennoch keine Zeit mehr gehabt hatte, zu reagieren. Der Sachverständige hat dem Gericht plausibel und überzeugend aufgezeigt, dass die beklagte Autofahrerin die Vorfahrtsverletzung des Klägers erst etwa eine Sekunde vor der Kollision erkennen konnte. Damit war keine ausreichende Zeitspanne verblieben, um noch auf das Geschehen reagieren und den Unfall vermeiden zu können. Der Vorfahrtsverstoß durch den Fahrradfahrer wiegt demgegenüber so schwer, dass die Betriebsgefahr auf Seiten der Autofahrerin verdrängt werde.
Hinweis: Bei einer Kollision zwischen einem vorfahrtsberechtigten Pkw und einem Radfahrer haftet der Radfahrer dann voll, sobald seinerseits ein grober Vorfahrtsverstoß feststeht, jedoch keinerlei gefahrerhöhende Umstände auf Seiten des Autofahrers. Kommt es auf einer Kreuzung zu einer derartigen Kollision, ist von einer überwiegenden Verursachung des Unfalls durch den wartepflichtigen Fahrradfahrer auszugehen.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 17.01.2024 - 6 O 8/22
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Zum Thema Sonstiges
- Aus Kanzlei gesperrt: Wer Fristen ausreizt, muss deren Einhaltung durch erhöhte Sorgfalt sicherstellen können
- DSGVO-konforme Weitergabe: Mobilfunkanbieter dürfen gemäß Vertragsvereinbarung Daten an die SCHUFA übermitteln
- Das kratzt: Wer mit gusseiserner Grillpfanne sein Cerankochfeld beschädigt, haftet selbst
- Fotografierte Wohnräume: Kein Schmerzensgeld nach genehmigten Aufnahmen für Online-Expose eines Maklers
- Vor Wolf gewarnt: Durch Jagdpächter im Naturschutzgebiet aufgestellte Hinweisschilder sind unzulässig
Das Einhalten von gesetzlichen Fristen steht bei Rechtsanwälten auf der Liste der Gebote ganz weit oben. Denn nur, wenn ein Anwalt ohne Verschulden verhindert war, eine solche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag die sogenannte "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" zu gewähren - also quasi eine zweite Chance. Davor muss er laut Bundesgerichtshof (BGH) aber nachweisen, naheliegend und ernsthaft versucht zu haben, die Frist trotz misslicher Lage einhalten zu können.
In eine solche missliche Lage geriet eine Rechtsanwältin, nachdem sie in der ersten Instanz einen Prozess über die Rückzahlung eines Darlehens verloren hatte und dagegen für ihre Mandantschaft in Berufung gehen wollte. Obwohl die hierfür geltende Frist am 02.06. ablief, legte sie die Berufung erst am 05.06. ein und beantragte gleichzeitig die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist. Als Begründung gab sie an, dass sie wegen eines Schwindelanfalls das Büro vorzeitig habe verlassen müssen und dabei den Schlüssel für die Büroräume in selbigen vergessen hatte. Damit habe sie das Büro nicht wieder betreten können. Zudem habe sie vergeblich versucht, eine Kollegin zu erreichen.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und verwarf die Berufung als unzulässig. Und der BGH verwarf nun die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde der Rechtsanwältin als unzulässig. Ein Rechtsanwalt, der eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpft, hat wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos eine erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist dennoch sicherzustellen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war hier deshalb ausgeschlossen, weil die Rechtsanwältin nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen hatte, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten. Die Anwältin hatte nicht erklärt, warum sie nicht zu ihrer Kollegin gefahren ist, um den Kanzleischlüssel abzuholen, oder warum sie nicht die Telefonnummern weiterer Kanzleikollegen oder -mitarbeiter erfragt habe. Zu guter Letzt wäre die Beauftragung eines Schlüsseldienstes möglich gewesen. So aber hatte die Rechtsanwältin schlicht und ergreifend die Frist verpasst - und dabei blieb es auch.
Hinweis: Fristen müssen eingehalten werden. Das gilt natürlich erst recht für Rechtsanwälte. Fragen Sie ruhig bei Ihrem Rechtsanwalt nach, ob und welche Fristen es gibt. Kurz vor dem Fristablauf spricht nichts dagegen, ihn an den Ablauf der Frist zu erinnern, wenn Sie noch nichts gehört haben.
Quelle: BGH, Urt. v. 11.07.2024 - IX ZB 31/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Mit dem Kleingedruckten in Verträgen verhält es sich wie mit Gebrauchsanweisungen: Das Durchlesen nervt, ist aber nützlich und vor Gericht oftmals entscheidend. Im Folgenden warf ein Verbraucher seinem Vertragspartner vor, seine Daten unberechtigt an Dritte weitergeleitet zu haben. Es war schließlich am Landgericht Augsburg (LG), sich die hierzu unterschriebenen Vertragskonditionen mal ganz genau anzusehen.
Ein Kunde schloss einen Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen. Im Anschluss erhielt er eine Auskunft der SCHUFA, dass der Vertragsabschluss gemeldet worden sei, sowie kurz darauf Auskunft über die Daten, die das Telekommunikationsunternehmen in diesem Zusammenhang an die SCHUFA weitergegeben hatte. Nun verlangte der Kunde Schadensersatz, Unterlassung und die Feststellung von Verletzungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie der Persönlichkeitsrechte und des Rechts auf informelle Selbstbestimmung. Das Telekommunikationsunternehmen wendete ein, dass es schon bei Vertragsschluss alle seine Kunden über die Weitergabe der Vertragsdaten in einem Datenschutzmerkblatt informiert habe. Der Mann entgegnete, dass das zwar stimmen würde, es sei allerdings nicht über alle Daten gesprochen worden.
Machen wir es kurz: Da es die Datenweitergabe für rechtmäßig hielt, wies das LG die Klage ab. Schließlich habe der Kunde bei Abschluss des Vertrags wirksam eingewilligt, dass Daten über den Abschluss des Telekommunikationsvertrags an die SCHUFA gemeldet werden.
Hinweis: Verbraucher sollten genau durchlesen, was sie bei Kaufverträgen unterschreiben. So lassen sich viele Missverständnisse vermeiden. Das gilt auch und gerade für Einwilligungen an die SCHUFA.
Quelle: LG Augsburg, Urt. v. 05.07.2024 - 041 O 3703/23
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Nie nach dem Weg zu fragen oder eine Gebrauchsanweisung zu lesen, ist für so manchen ein Grundprinzip der Eigenständigkeit. Doch mit der hartnäckigen Ansicht, Dinge müssen selbsterklärend anzuwenden sein, kann man schwer danebenliegen - so wie ein Mann, der vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) kürzlich Ersatz für sein beschädigtes Cerankochfeld verlangte.
Der Mann hatte im Rahmen eines Bonusprogramms eine gusseiserne Grillpfanne bestellt. In der Gebrauchsanweisung für die Pfanne stand, dass diese niemals über ein verglastes Kochfeld geschoben werden dürfe, da dieses sonst beschädigt werde. Stattdessen solle die Pfanne immer sanft angehoben und abgestellt werden. Daran hielt sich der Mann jedoch nicht und nutzte die Pfanne auf seinem Glaskeramikkochfeld offensichtlich unsachgemäß, denn das Kochfeld wurde durch die Pfanne stark zerkratzt. Nun forderte der Mann dennoch einen Schadensersatz von 1.800 EUR und klagte das Geld schließlich ein - jedoch vergeblich.
Das AG schüttelte die Köpfe, was die Ansprüche des Bonusbratpfannengeschädigten anging. Denn schließlich hatte der Mann selbst die ausdrückliche Warnung in der Gebrauchsanweisung missachtet und dadurch gravierend gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen. Sein Mitverschuldensanteil war dabei so groß, dass der Anspruch auf Schadensersatz komplett entfiel.
Hinweis: Es ergibt also durchaus Sinn, Gebrauchsanweisungen vor dem Gebrauch aufmerksam zu lesen.
Quelle: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.05.2024 - 31 C 3103/22 (78)
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Darf ein Makler einfach so von einer vermieteten Wohnung Fotos im Internet veröffentlichen? Sie haben bei dieser Frage womöglich ein gutes Bauchgefühl, wenn Sie meinen, dass es darauf ankommt, ob die darin wohnenden Mieter davon wussten und es genehmigten - oder eben nicht. Und so fiel die Antwort des Landgerichts Frankenthal (LG), das sich mit einem solchen Fall beschäftigen musste, recht ähnlich aus.
Eine an ein Ehepaar vermietete Doppelhaushälfte sollte verkauft werden. Das mit der Käufersuche beauftragte Maklerbüro machte Fotos von den Innenräumen und stellte diese in einem Expose online. Daraufhin wurden die Mieter schließlich von mehreren Personen angesprochen. Damit fühlten sie sich unwohl und demaskiert, zudem hatten sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Der Makler nahm die Bilder dann zwar wieder aus dem Internet - dennoch machten die Mieter einen immateriellen Schaden für sich geltend und verlangten ein Schmerzensgeld.
Die Klage wurde jedoch vor dem LG abgewiesen, da das Ehepaar den Makler selbst ins Haus gelassen hatte, damit eben jene Bilder gemacht werden können. Allerdings sagten die Richter auch, dass Schmerzensgeldansprüche tatsächlich in Betracht kämen, sobald ein Makler Bilder ohne Einwilligung verwendet. Davon waren die Richter hier aber nicht ausgegangen.
Hinweis: Was im Vorhinein feststeht, führt später nicht zu Streitigkeiten. Deshalb sollte stets vor der Veröffentlichung von Bildern im Internet die Frage der Rechtmäßigkeit der Verbreitung abgeklärt sein. Auch wenn die Einwilligung zur Verwendung von Bildern gegeben wurde, kann diese jederzeit später widerrufen werden.
Quelle: LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 04.06.2024 - 3 O 300/23
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(aus: Ausgabe 10/2024)
Schilder dürfen in Deutschland nicht einfach so aufgestellt werden - auch wenn es manchmal so wirken mag. Das musste im Folgenden auch ein Jagdpächter erfahren, dem an dieser Stelle einfach mal guter Wille unterstellt werden darf. Denn zumindest dem Wortlaut seiner Schilder zufolge wollte er mit diesen zu Aufmerksamkeit und Vorsichtsmaßnahmen raten. Das war jedoch nicht sein Recht, wie er vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) lernen musste.
Der Jagdpächter brachte in einem rheinland-pfälzischen Naturschutzgebiet mehrere Schildtafeln an, auf denen stand: "Wölfe suchen auch in diesem Gebiet nach Beute! Hunde an kurzer Leine führen und Kinder bitte beaufsichtigen! Der Jagdpächter." Daraufhin gab ihm der Westerwaldkreis auf, sämtliche Schrifttafeln innerhalb von zwei Wochen wieder zu entfernen. Denn eine entsprechende Rechtsverordnung würde nur das Aufstellen bestimmter Schilder erlauben, und zwar solcher, die auf den Schutz des Gebiets hinwiesen oder im Zusammenhang mit einem bestimmten Wanderweg oder einem bestimmten Radweg stünden. Dagegen legte der Jagdpächter einen Eilrechtsschutzantrag ein, der jedoch abgewiesen wurde.
Auch die von ihm dagegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem OVG erfolglos. Ein Jagdpächter darf schlicht und ergreifend keine eigenen Schilder aufstellen. Das Platzieren der Warnschilder für eine ordnungsgemäße Jagdausübung - worauf hier allein abzustellen war - sei schon deshalb nicht erforderlich, weil der Mann in seiner Funktion als Jagdpächter Wölfe weder jagen dürfe noch zu ihrer Hege und ihrem Schutz verpflichtet sei. Weder eine Befreiung von dem Verbot der Schilderaufstellung nach dem Bundesnaturschutzgesetz habe er beantragt, noch sei ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine solche Befreiung erfüllt seien.
Hinweis: Wer selbst bei amtlich aufgestellten Schilder(wälder)n schon mal den Überblick zu verlieren drohte, kann verstehen, dass man Schilder im öffentlichen Raum nicht auch noch eigeninitiativ installieren darf. Das gilt auch, wenn das Ansinnen noch so nachvollziehbar erscheint.
Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 15.08.2024 - 1 B 10738/24.OVG
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