Aktuelle Rechtsprechung
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Zum Thema Arbeitsrecht
- Bei schwerwiegenden Verdachtsfällen: Ergebnisse von nicht anonymisierter Mitarbeiterbefragung können Kündigung nach sich ziehen
- Keine organisatorische Eigenständigkeit: Wahlvorstand scheitert mit Vorbereitung einer Betriebsratswahl
- Pflegebedürftige Angehörige: Keine Arbeitszeitverkürzung, wenn betriebliche Gründe nachvollziehbar dagegen sprechen
- Schwerbehinderte Arbeitnehmer: Kein Präventionsverfahren bei fachlich begründeter Kündigung innerhalb der Probezeit
- Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung: Hohe Abfindung nach sexistischem, übergriffigen und entwürdigenden Verhalten des Geschäftsführers
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) befasste sich mit der Frage, ob sich eine Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen auf Ergebnisse einer nicht anonymisierten Mitarbeiterbefragung stützen darf. Was sich auf den ersten Blick etwas bedrohlich liest, löst sich auf, wenn man den Sachverhalt genauer ins Auge fasst, bei dem auch das Machtgefüge in Betrieben eine Rolle spielt.
Ein langjähriger Schichtführer stand im Verdacht, Betriebsmaterial für private Zwecke genutzt und Kollegen während der Arbeitszeit zu privaten Arbeiten gedrängt zu haben. Nach Darstellung des Unternehmens nutzte er seine Stellung aus, um andere unter Druck zu setzen - beispielsweise um private Dinge aus Firmeneigentum für ihn anzufertigen. Um den Vorwürfen nachzugehen, verteilte der Arbeitgeber einen ausführlichen Fragebogen mit rund 150 Fragen an alle Beschäftigten. Abgefragt wurden Beobachtungen zu Arbeitsabläufen, möglichen Pflichtverstößen und dem Verhalten des Schichtführers. Die Antworten waren nicht anonymisiert. Zwar wurde der Betriebsrat über die Maßnahme informiert, seine ausdrückliche Zustimmung lag jedoch nicht vor. Der Schichtführer empfand die Befragung schließlich als Angriff auf seine Person und erklärte, sein Ruf sei beschädigt und er fühle sich in seiner Würde verletzt. Er hielt die Maßnahme für überzogen, unverhältnismäßig und rechtlich unzulässig. Außerdem kritisierte er, dass der Betriebsrat nicht beteiligt worden sei.
Das LAG sah dies anders und kam zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung durchaus wirksam war. Mehrere Beschäftigte hatten bestätigt, dass der Schichtführer sie zu privaten Arbeiten gedrängt hatte und dafür Betriebsmaterial nutzte. Durch die Kombination aus Pflichtverletzungen und Vorgesetztenrolle war das Vertrauen in ihn dauerhaft zerstört. Damit lag ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch vor. Besonders wichtig war die Einschätzung des Gerichts zur Befragung: Diese sei rechtlich zulässig gewesen - auch wenn die Antworten nicht anonymisiert erfolgten. Entscheidend sei gewesen, dass sie einem konkreten Verdacht nachging und verhältnismäßig war. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz sei eine solche Maßnahme im Rahmen der Aufklärung erlaubt. Auch seien die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt worden, so dass die Befragung ohne dessen Zustimmung zulässig war.
Hinweis: Arbeitgeber dürfen bei schwerwiegenden Verdachtsfällen auch Befragungen im Betrieb durchführen. Wichtig ist, dass die Maßnahme verhältnismäßig bleibt und sich auf einen konkreten Vorwurf bezieht. So kann eine Kündigung rechtlich wirksam abgesichert werden.
Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 15.01.2025 - 2 SLa 31/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Betriebsräte sind ein scharfes Arbeitnehmerschwert, dem sich Arbeitgeber stellen müssen, um Rechte der Belegschaft zu wahren. Für deren Gründung müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Das Arbeitsgericht Köln (ArbG) befasste sich kürzlich damit, ob ein Wahlvorstand im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch auf Informationen und Unterstützung für eine Betriebsratswahl hat.
Eine Fluggesellschaft mit Sitz in Malta betrieb am Flughafen Köln/Bonn einen sogenannten "Basestandort", an dem eine Gruppe von Beschäftigten eingesetzt war. Ein Wahlvorstand wollte dort einen Betriebsrat gründen und verlangte von seiner Arbeitgeberin Informationen und Materialien, um die Wahl entsprechend vorzubereiten. Diese verweigerte jedoch die Forderungen des Wahlvorstands und berief sich dabei darauf, dass der Standort überhaupt keine eigenständige betriebliche Einheit darstelle.
Das ArbG musste nun prüfen, ob an der Behauptung der Arbeitgeberin etwas dran sei. Dabei kam es schließlich auch zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen eigenen Betriebsrat nicht vorlagen. Die Beschäftigten waren organisatorisch eng mit der Zentrale im Ausland verbunden. Vor Ort gab es hingegen keine ausreichende Eigenständigkeit, die eine Betriebsratswahl rechtfertigen konnte. Die Tätigkeiten am Flughafen bezogen sich ausschließlich auf luftverkehrsrechtliche Aufgaben wie Flugabfertigung und Einsatzplanung. Solche Aufgaben genügten nach Ansicht des ArbG nicht, um eine betriebsratsfähige Einheit zu begründen. Zudem stellte das Gericht klar, dass ein Hauptbetrieb im Inland fehlte, an den die Base hätte angebunden werden können. Für die Bildung eines Betriebsrats sei eine solche organisatorische Struktur notwendig. Zudem stellte das Gericht fest, dass keine besondere Eilbedürftigkeit vorlag. Der Wahlvorstand hatte seinerseits bereits erklärt, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. In dieser Situation sah das Gericht keinen Grund, im Wege einer einstweiligen Verfügung vorläufige Rechte zuzusprechen. Ein Abwarten sei zumutbar, da keine gravierenden Nachteile drohten. Damit wurde der Antrag des Wahlvorstands zurückgewiesen.
Hinweis: Ein Standort ist nur dann betriebsratsfähig, wenn er ausreichend organisatorisch selbständig ist. Fehlt diese Voraussetzung, kann dort kein Betriebsrat gewählt werden. Eilrechtsschutz kommt nur in Betracht, wenn eine sofortige Entscheidung unbedingt notwendig ist.
Quelle: ArbG Köln, Beschl. v. 16.07.2025 - 18 BVGa 9/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Wer sich der Herausforderung stellen will, Angehörige zu pflegen, hofft oft auf Möglichkeiten, seine Arbeitszeiten zu reduzieren. Doch nicht jedem Unternehmen und nicht bei jedem Aufgabenfeld ist eine solche Arbeitszeitverkürzung möglich. Wann ein Arbeitgeber die Reduzierung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers wegen Pflege eines seiner Angehörigen daher ablehnen darf, musste das Arbeitsgericht Suhl (ArbG) entscheiden.
Ein Außendienstmitarbeiter betreute Kunden in Ost- sowie Süddeutschland und arbeitete normalerweise vier Tage vor Ort und einen Tag im Homeoffice. Anfang März 2024 beantragte er eine Reduzierung seiner Arbeitszeit von 40 auf 20 Stunden pro Woche, verteilt auf drei Tage, um seine Eltern mit Pflegegrad 3 zu pflegen. Der Arbeitgeber schaltete daraufhin eine interne und externe Stellenausschreibung für die freiwerdende Teilzeitstelle. Nach einem Monat ohne Bewerber lehnte er den Antrag seines Außenmitarbeiters schriftlich ab. Daher war es nun am Gericht zu prüfen, ob der Antrag wegen dringender betrieblicher Gründe abgelehnt werden durfte.
Das ArbG entschied, dass die Ablehnung in diesem Fall durchaus berechtigt gewesen war. Die Aufgaben des Mitarbeiters konnten schlichtweg nicht aufgeteilt werden, da die Arbeitszeit nicht zum Organisationsplan passte und kein Ersatz durch vorhandene oder neue Mitarbeiter möglich war. Die wenigen Kollegen konnten die Außendiensttermine mit Übernachtungen nicht übernehmen, neue Teilzeitkräfte fanden sich nicht und alternative freie Stellen waren für den Außendienstler einfach nicht geeignet. Das Gericht wies darauf hin, dass der Arbeitgeber nicht prüfen musste, ob Kundenbesuche per Videokonferenz möglich seien. Die Gestaltung der Vertriebsstruktur unterliege schließlich der unternehmerischen Freiheit, und Ersatzkräfte aus anderen Unternehmensteilen müssten nicht berücksichtigt werden. Auch formell war die Ablehnung rechtzeitig erfolgt, obwohl die Stellenausschreibung noch lief.
Hinweis: Eine Reduzierung der Arbeitszeit wegen Pflege kann abgelehnt werden, sobald dringende betriebliche Gründe vorliegen. Dazu zählt vor allem, dass kein Ersatz möglich ist. Die betriebliche Situation sollte dabei stets sorgfältig dokumentiert werden, um den Ablehnungsgrund nachvollziehbar darzustellen.
Quelle: ArbG Suhl, Urt. v. 07.04.2025 - 5 Ca 1138/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen gut begründete Sonderrechte, wie etwa einen gesonderten Kündigungsschutz, Zusatzurlaub und auch eine Schwerbehindertenvertretung, sobald regelmäßig wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen im Betrieb beschäftigt sind. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich mit der Frage befassen, ob schwerbehinderte Menschen vor einer Kündigung auch in ihrer Probezeit durch ein besonderes Verfahren geschützt sind.
Ein Mann mit einem Grad der Behinderung von 80 begann Anfang 2023 eine Arbeit als Leiter der Haus- und Betriebstechnik in einem Betrieb ohne Betriebsrat und ohne Schwerbehindertenvertretung. Von Beginn an war eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. Nach drei Monaten beendete der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, weil er den Mann für fachlich ungeeignet hielt, was auch dem Integrationsamt angezeigt wurde. Der Mann wollte die Kündigung nicht hinnehmen und erhob Klage, denn er meinte, dass sein Arbeitgeber vor der Kündigung ein Präventionsverfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch hätte durchführen müssen. Zudem sei ihm kein Arbeitsplatz angeboten worden, der besser auf seine Behinderung zugeschnitten gewesen wäre.
Das BAG stellte jedoch klar, dass ein Präventionsverfahren nur verlangt werden könne, wenn das Kündigungsschutzgesetz bereits greife - das aber wäre erst nach sechs Monaten der Fall gewesen, denn die Probezeit gehört in die sogenannte Wartezeit. Deshalb musste der Arbeitgeber innerhalb dieser Phase kein Präventionsverfahren einleiten. Auch ein behindertengerechter Arbeitsplatz musste nicht angeboten werden, solange die Kündigung nicht wegen der Behinderung ausgesprochen wurde. Entscheidend war vielmehr, dass die Kündigung auf fachlichen Gründen beruhte und nicht auf der Schwerbehinderung des Mannes. Das BAG betonte zudem, dass eine gegenteilige frühere Entscheidung eines Landesarbeitsgerichts mit dieser Rechtslage nicht vereinbar war. Damit bestätigte das BAG, dass Kündigungen in der Probezeit auch bei schwerbehinderten Beschäftigten möglich waren, ohne dass zuvor ein besonderes Verfahren eingeleitet werden musste.
Hinweis: Ein Präventionsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, wenn das Kündigungsschutzgesetz gegolten hätte. In der Probezeit bestand diese Pflicht hier nicht.
Quelle: BAG, Urt. v. 03.04.2025 - 2 AZR 178/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Dass der Missbrauch der eigenen Machtstellung Vorgesetzte richtig teuer zu stehen kommen kann, zeigt dieser Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG) landete. Auslöser dafür waren zuerst die wiederholten sexistischen Beleidigungen eines Geschäftsführers einer Mitarbeiterin gegenüber und die Tatsache, dass eine Weiterbeschäftigung aufgrund dessen völlig indiskutabel erschien.
Eine langjährige Mitarbeiterin eines Unternehmens hatte sich gegen eine Kündigung gewehrt. Im Laufe des Verfahrens stellte sich heraus, dass der Geschäftsführer sie mehrfach sexistisch und respektlos beleidigt hatte. Die Worte waren derart verletzend, dass es für die Frau unmöglich war, weiterhin in der Firma zu arbeiten. Schon das Arbeitsgericht Bonn (ArbG) entschied, dass der Arbeitgeber keinen rechtmäßigen Grund für die Kündigung nennen konnte. Gleichzeitig hielt das ArbG die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar. Deshalb wurde das Arbeitsverhältnis aufgelöst und die Frau erhielt eine Abfindung von 70.000 EUR. Der Arbeitgeber war mit dieser Entscheidung jedoch nicht einverstanden, da er meinte, die Summe sei übertrieben hoch und nicht gerechtfertigt. Nach seiner Auffassung hätte die Frau durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie eigentlich bereit gewesen wäre, im Unternehmen zu bleiben. Er legte daher Berufung ein und der Fall landete beim LAG.
Das Gericht bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung der Vorinstanz. Es stellte klar, dass die Aussagen des Geschäftsführers weit über das hinausgingen, was im Berufsleben akzeptabel war. Eine Weiterarbeit war der Frau unter diesen Umständen nicht zuzumuten. Auch die Höhe der Abfindung hielt das Gericht grundsätzlich für angemessen. Besonders schwer wog zudem, dass die Frau durch das Verhalten eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hatte. Außerdem war die Kündigung nicht rechtmäßig, sondern sozialwidrig. Das Gericht erkannte an, dass der Geschäftsführer seine Machtposition gezielt eingesetzt hatte, um Druck auf die Frau auszuüben und sie aus dem Unternehmen zu drängen. Am Ende reduzierte das Gericht die Abfindung nur geringfügig und sprach der Frau 68.153,80 EUR zu.
Hinweis: Sexistische oder respektlose Beleidigungen durch Vorgesetzte können nicht nur das Arbeitsklima zerstören, sondern auch erhebliche finanzielle Folgen für den Arbeitgeber nach sich ziehen. Eine Abfindung kann dann besonders hoch ausfallen, wenn die betroffene Person stark unter den Angriffen zu leiden hatte. Gerichte prüfen dabei auch, ob Vorgesetzte ihre Macht bewusst missbrauchten.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 09.07.2025 - 4 SLa 97/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Zum Thema Verkehrsrecht
- Beschaffenheitsvereinbarung bei Autokauf: Zustandsnote gilt als konkrete Auskunft über Erhaltungszustand eines Oldtimers
- Nach berührungslosem Unfall: Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile
- Schadensminderungspflicht: Keine Nutzungsausfallentschädigung bei Vorhandensein weiterer Fahrzeuge
- Tesla online gekauft: Zulässige Widerrufsbelehrung ohne Telefonnummer und Kostenangaben zur Rücksendung
- Ungeeigneter Berufskraftfahrer: Keine Berücksichtigung von beruflichem Härtefall bei Erreichen von acht Punkten
Das Schulnotenprinzip wird von klein auf so stark verinnerlicht, dass es sich auch im Erwachsenendasein als Bewertungsskala überall wiederfindet. So ist es auch im Bereich der Gebrauchtwagenverkäufe. Doch Vorsicht: Wer eine solche Einschätzung zum Erhaltungszustand in den Kaufvertrag aufnimmt, steht dafür gerade, dass sich der Käufer im Ernstfall darauf stützen darf. Dieser Ernstfall war vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ein bei der Hauptuntersuchung (HU) durchgefallener Oldtimer.
Der Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufs einen MG Typ B Roadster, Baujahr 1973 mit H-Zulassung. Der Beklagte hatte für dieses Fahrzeug eine Verkaufsanzeige auf einer Onlineplattform geschaltet. Dort war als Zustandsnote "2-3" angegeben und Bezug genommen worden auf bereits vorliegende Gutachten. Als der neue Halter Anfang des Jahres 2022 das Fahrzeug zur HU vorstellte, wurde die Erteilung einer Prüfplakette wegen erheblicher Mängel abgelehnt - unter anderem wegen starker Korrosion. Nach erfolgloser Aufforderung zur Mangelbeseitigung erklärte der Kläger schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte mit seiner Klage vom Beklagten im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die Klage hat in den Vorinstanzen zunächst keinen Erfolg gehabt, die Revision des Klägers hingegen schon.
Der BGH entschied nun, dass hier eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend vorlag, dass das Fahrzeug einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand aufweise - also einen im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" liegenden Erhaltungszustand nach den üblichen Bewertungskriterien. Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben ist, ist eine Frage der nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung. Der Angabe einer Zustandsnote durch den Verkäufer kommt aus Sicht des Käufers die Aussage zu, dass sich das Fahrzeug in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befinde und der Verkäufer für das Vorliegen dieses Zustands die Gewähr übernehme. Es ist deshalb von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen. Die Bezugnahme auf die Gutachten im Zusammenhang mit dieser Angabe war nicht so zu verstehen, dass der Beklagte auf die Gutachten als fremde Quellen verweisen und zum Ausdruck bringen wollte, dass es sich bei der angegebenen Zustandsnote um fremdes Wissen handele, für das er nicht einstehen wollte. Denn zum einen entsprach die im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von "2-3" weder der Zustandsnote aus einem der Gutachten noch ergab sie sich etwa aus der Bildung eines Mittelwerts der Bewertungen dieser Gutachten. Der BGH verwies deshalb die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht.
Hinweis: Wird beim Verkauf eines Oldtimers eine Zustandsnote im Kaufvertrag angegeben, stellt diese regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern in einem mehrstufigen Bewertungsmodell ist allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Diese allgemein bekannten und anerkannten Zustandsnoten geben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den Kaufpreis des Fahrzeugs.
Quelle: BGH, Urt. v. 23.07.2025 - VIII ZR 240/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Bei einem berührungslosen Unfall kann der Schaden dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, sobald er bei einem Überholvorgang durch eine Ausweichreaktion ausgelöst worden ist. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) musste im Folgenden prüfen und bewerten, ob dieses "Kann" im behandelten Fall zutrifft - also einer von zwei Verkehrsteilnehmern haften müsse - oder eine diesbezügliche Klage eher abzuweisen sei.
Die Klägerin beabsichtigte, mit ihrem Motorrad links in eine Grundstückszufahrt einzubiegen, wobei sie jedoch den Blinker nicht gesetzt hatte. Der Beklagte passierte mit seinem Pkw die Klägerin, die daraufhin aus ungeklärten Umständen mit ihrem Motorrad stürzte und sich einen Bruch des Oberarmknochens zuzog. Das zunächst zuständige Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Hiergegen legte die Klägerin Berufung vor dem OLG ein - dies jedoch erfolglos.
Das OLG hat in einem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass die Berufung keinen Erfolg haben werde, da der Beklagte den Sturz der Klägerin nicht verursacht hatte. Im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer beider beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige oder aber zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten in Form einer Abstandsunterschreitung konnte von der Klägerin nicht bewiesen werden. Die vom LG vernommene Zeugin hatte glaubhaft bekundet, dass der Beklagte in einem ausreichenden Sicherheitsabstand von etwa 1,5 m bis 2 m an dem Motorrad der Klägerin vorbeigefahren sei. In der Regel reiche ein Seitenabstand von 1 m aus. Demgegenüber lag ein eindeutiger Verstoß der Klägerin beim Linksabbiegen vor, da diese nicht nach links geblinkt habe und zudem ihrer doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen sei.
Hinweis: Bei einem berührungslosen Unfall ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Dies konnte nicht bewiesen werden. Das Gericht hat zudem darauf hingewiesen, dass der gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 Straßenverkehrs-Ordnung geltende Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 m beim Überholen innerorts nicht für das Überholen von Motorrädern gilt.
Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 02.06.2025 - 7 U 23/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Ein Unfall zieht mit den entstandenen Schäden Verzicht und Aufwand nach sich. Relatives Glück dabei hat der schuldlos am Unfall Beteiligte, der entsprechenden Ersatz vom gegnerischen Versicherer erwarten kann. Doch so großzügig sich Versicherer manchmal zeigen: Nicht alles ist ersatzfähig. Dass das selbst dann gilt, wenn auf das Privatfahrzeug eine Zeitlang verzichtet werden muss, zeigt diese Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG).
Ein Autofahrer wurde unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt, wobei sein Fahrzeug (ein Straßenrennwagen der Marke Donkervoort) erheblich beschädigt wurde. Neben den Reparaturkosten forderte der Geschädigte Nutzungsausfall für die Dauer der Reparatur. Die Versicherung verweigerte die Zahlung und berief sich darauf, dass dem Geschädigten zwei weitere Fahrzeuge zur Verfügung stünden - nämlich ein BMW Z 4 und ein 3er BMW als Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Es sei daher kein Nutzungsentzug gegeben.
Das LG gab der Versicherung recht. Es sei dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht durchaus zumutbar, die weiteren vorhandenen Fahrzeuge zu nutzen. Der Geschädigte hatte selbst vorgetragen, dass er für Alltagsfahrten diese ihm zur Verfügung stehenden Fahrzeuge nutze, den verunfallten Wagen hingegen nur für Ausflugsfahrten oder Treffen mit anderen Autoliebhabern. Für eben jene Zwecke seien die BMWs nach Meinung des Geschädigten schlichtweg nicht geeignet. Der Zweck, mit einem Auto im Rahmen von Ausfahrten und Treffen mit anderen Autoliebhabern prahlen zu wollen, ist nach Ansicht des Gerichts nicht ausschlaggebend und somit auch nicht ersatzfähig, da es sich nicht um einen Vermögenswert handelt. Auch das Argument, dass bei Verwandtenbesuchen ein Koffer mitgenommen würde und der Steuerberater als Beifahrer mitfahre, um Fachgespräche zu führen, ist nicht zu berücksichtigen - schließlich fänden sowohl Koffer als auch Steuerberater in den BMW-Fahrzeugen Platz.
Hinweis: Nach allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit - in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln - das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern.
Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 20.05.2025 - 308 O 98/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Wer seine Geschäfte rechtlich sauber betreiben will, ist gut beraten, zur eigenen Absicherung offizielle Mustertexte zu nutzen, so zum Beispiel auch für Onlineverkäufe. Gezwungen ist hierzu niemand, solange er eigene Texte nutzt, die ebenso rechtlich wasserdicht sind wie die Mustervorlagen. Das Landgericht Frankenthal (LG) musste prüfen, ob Tesla bei seinen Onlineverkäufen trotz Fehlens einiger Eckpunkte die rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts erfüllt hat.
Ein Mann hatte über eine Onlineplattform einen neuen Tesla für mehr als 65.000 EUR gekauft. Tesla hatte dem Bestellformular eine selbst entworfene Widerrufsbelehrung beigefügt. Ende Dezember 2022 wurde das Fahrzeug ausgeliefert. Der Käufer nutzte es ein knappes Jahr, wollte es dann aber wieder loswerden und berief sich auf zahlreiche Mängel, die seitens Tesla sämtlich bestritten wurden. Ende November 2023 widerrief der Mann schließlich den Vertrag unter Hinweis auf sein gesetzliches Widerrufsrecht als Onlinekäufer. Er sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, weil Tesla nicht die gesetzliche Musterbelehrung verwendet habe. Das stattdessen genutzte Formular sei dagegen nicht hinreichend klar abgefasst, die Telefonnummer der Firma sei nicht angegeben, und über die Höhe der Rücksendekosten des Fahrzeugs werde darin nicht aufgeklärt. Der Widerruf sei daher trotz des Zeitablaufs wirksam und er schulde aufgrund der fehlerhaften Belehrung auch keinen Ersatz für die Nutzung des Fahrzeugs.
Die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs wurde vom LG abgewiesen. Der Käufer habe nach mehr als einem Jahr kein Recht mehr, den Onlinevertrag zu widerrufen. Tesla habe von der gesetzlich vorgesehenen Musterbelehrung abweichen dürfen; diese sei lediglich ein Vorschlag für einen rechtssicheren Weg. Auch im hier verwendeten Text seien die Voraussetzungen des Widerrufsrechts deutlich und konkret genug benannt. So waren weder die Angabe der Telefonnummer noch Angaben zu den Kosten der Rücksendung des Pkw gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Der Onlinekäufer wurde in Augen des LG demnach ausreichend über sein Widerrufsrecht informiert. Auch die daneben geltend gemachten Mängel am Fahrzeug habe der Käufer sämtlich nicht nachgewiesen.
Hinweis: Neufahrzeuge werden heutzutage häufig online gekauft. Verbrauchern steht dabei grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu, das sie nicht begründen müssen und über das sie der Verkäufer ordnungsgemäß belehren muss. Wenn die Widerrufsbelehrung beim Onlinekauf eines Pkw die Voraussetzungen des Widerrufsrechts deutlich und konkret benennt, kann der Verkäufer von der gesetzlichen Musterbelehrung abweichen.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2025 - 4 O 114/24
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Das Beste, was für eine verlässliche Zukunft mit Führerschein spricht, ist eine weiße Weste in Sachen Punktekonto. Doch schnell kommt diesem Vorsatz das echte Leben dazwischen, das man praktisch leider selten so gut bewältigt wie in der Theorie. Besonders Berufskraftfahrer sollten daher immer genau wissen, wann besser Schluss ist mit den Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr - denn das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) zeigt: Bei acht Punkten ist "die Pappe" weg.
Einem Berufskraftfahrer wurde die Fahrerlaubnis entzogen, da er im Fahreignungsregister acht Punkte angesammelt hatte. Daher legte er Einspruch ein und beantragte, die sogenannte aufschiebende Wirkung wiederherzustellen - also bis zur Entscheidung in der Hauptsache seine Fahrerlaubnis behalten zu können. Er argumentierte zum einen, dass die behördlichen Maßnahmen der Ermahnung und Verwarnung nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden seien, weshalb er auf sieben Punkte zurückgesetzt werden müsse. Zudem stelle die Fahrerlaubnisentziehung für ihn als Berufskraftfahrer eine unangemessene Härte dar, da er als Alleinverdiener in eine existentielle Notlage geraten würde und die Einziehung faktisch ein Berufsverbot darstelle. Zu guter Letzt gab er an, bestimmte Fahrten zur lebenswichtigen Versorgung seiner Frau machen zu müssen, die nur von ihm vorgenommen werden könnten.
Das OVG wies den Antrag des Mannes jedoch zurück. Denn zum einen sei aus der Akte ersichtlich, dass die Maßnahmen der Behörde ordnungsgemäß durchgeführt worden waren. Alles andere hätte dem Betroffenen auch bei einer Sichtung der Akte auffallen müssen. Zum anderen könne nicht damit argumentiert werden, bei einem Berufskraftfahrer sei bei derartigen Fällen eine unzumutbare Härte gegeben. Und schließlich war von ihm auch nicht nachvollziehbar dargelegt worden, wieso eine Existenzgefährdung vorliegen könnte und bestimmte Fahrten der lebenswichtigen Versorgung seiner Frau dienen und nur von ihm vorgenommen werden können. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundenen Auswirkungen auf seine Möglichkeiten der Berufsausübung muss er im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutz von Leib und Leben sowie Eigentum Dritter hinnehmen.
Hinweis: Die zwingende Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister stellt keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar. Bei diesem Punktestand geht der Gesetzgeber davon aus, dass Kraftfahrer eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen, und knüpft daran eine Ungeeignetheitsvermutung, die grundsätzlich nicht widerlegt werden kann.
Quelle: OVG Münster, Beschl. v. 23.07.2025 - 16 B 425/25
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Zum Thema Sonstiges
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- Versicherer in Beweispflicht: Rücktritt von Berufsunfähigkeitsversicherung im Teleunderwriting gescheitert
- Zur Folgenbeseitigung verpflichtet: Bank muss Kunden über unwirksame AGB-Klausel informieren
Manchmal müssen Tiere aus Tierschutzgründen in Obhut genommen werden. Wenn dies angeblich einem behördlichen Irrtum unterliegt, darf das nicht nur behauptet, sondern muss auch bewiesen werden. Denn dass auch bei Tieren der Eigentumsnachweis unerlässlich ist, beweist dieser Fall des Landgerichts Nürnberg-Fürth (LG) eindringlich.
Eine Behörde nahm im März 2022 aus dem Haus eines Mannes drei Katzen in Gewahrsam und übergab sie an ein Tierheim. Hintergrund war, dass im Haus eine Frau lebte, die aus Tierschutzgründen keine Katzen halten durfte. Bei einer Kontrolle wurden die Katzen und ihre Utensilien wie Katzentoiletten, Futternäpfe, Kratzbaum, Medikamente, Transportboxen und Tierarztrechnungen im Stockwerk eben dieser Frau gefunden. Der Mann gab dennoch an, Eigentümer der Katzen zu sein, konnte aber die Namen und den Gesundheitszustand der Tiere nur schwerlich angeben sowie lediglich vage Angaben zum Erwerb machen. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen, gegen das Tierheim auf Herausgabe der Katzen zu klagen.
Das Amtsgericht wies die Klage ab, weil der Mann keinen Eigentumsnachweis erbringen konnte. Auch die Aussagen der Mitbewohnerin überzeugten das Gericht nicht. Gegen das Urteil legte der Mann Berufung ein, zog diese jedoch nach einem Hinweis des LG zurück. Damit wurde das Urteil rechtskräftig. Eine Prüfung des Urteils zeigte, dass die Katzen der Mitbewohnerin gehörten und nicht dem Kläger. Da keine schriftlichen Nachweise oder konkreten Angaben zum Erwerb vorlagen, konnte der Mann seine Eigentümerstellung nicht beweisen. Zudem war das Eigentum an den Katzen durch die behördliche Anordnung zur Veräußerung erloschen. Nach dem Tierschutzgesetz überträgt eine solche Anordnung die rechtliche Befugnis auf die Behörde, der frühere Halter muss die Maßnahme dulden.
Hinweis: Wer Tiere besitzt, sollte Kaufbelege, Verträge oder konkrete Angaben zum Erwerb aufbewahren. Ohne Nachweise können Behörden Tiere in Obhut nehmen. Eine Duldungspflicht entsteht, wenn eine behördliche Anordnung zur Weitergabe erfolgt.
Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.05.2025 - 15 S 107/25
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Die Liebe verhält sich wie das Leben selbst bekanntermaßen unberechenbar. Wer sich in einem Onlineportal registriert hat, um die Liebe des Lebens zu finden, ist nicht davor gefeit, leer auszugehen oder gar doch schon schneller als erwartet von Amors Pfeil getroffen zu werden. Doch was dann? Vor kurzem hat sich sogar der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage beschäftigt, ob Kunden eines Onlinepartnervermittlungsportals jederzeit kündigen können.
Die Beklagte betreibt ein Partnerportal, bei dem Nutzer zwischen einer kostenlosen Basismitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premiummitgliedschaft wählen konnten. Bei der Premiummitgliedschaft werden Verträge mit Erstlaufzeiten von sechs Monaten (479,40 EUR; 79,90 EUR monatlich), zwölf Monaten (790,80 EUR; 65,90 EUR monatlich) oder 24 Monaten (1.101,60 EUR; 45,90 EUR monatlich) angeboten. Werde nicht rechtzeitig gekündigt, verlängere sich der Vertrag automatisch - und zwar um ganze zwölf Monate. Eine Verbraucherschutzorganisation klagte gegen diese Klauseln. Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) entschied in dieser Sache, dass Kunden nicht jederzeit kündigen können und die Vertragsverlängerung bei 24-monatigen Verträgen durchaus zulässig sei. Bei den sechs- und zwölfmonatigen Verträgen sah das OLG hingegen die Verlängerungsklauseln als unwirksam an. Beide Parteien legten Revision beim BGH ein.
Der BGH bestätigte, dass das Kündigungsrecht nach § 627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hier nicht gelte, weil die Leistung der Plattform überwiegend aus einer Onlinedatenbank besteht und die Partnersuche automatisiert abläuft. Eine Pauschalregelung für ein jederzeitiges Kündigungsrecht setze eine persönliche Beziehung voraus, und eben diese bestand hier nicht. Die Vertragsverlängerung bei sechsmonatigen Verträgen benachteiligte die Kunden hingegen unangemessen, weil die Verlängerung die Kunden mit Kosten von gut 791 EUR statt einst knapp 480 EUR gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB finanziell benachteiligte. Bei den Premiummodellen mit den Vertragslaufzeiten von zwölf und 24 Monaten sah der BGH jedoch keine unangemessene Benachteiligung.
Hinweis: Onlineverträge können spezielle Kündigungsregeln enthalten. Wer unsicher ist, sollte die AGB genau prüfen und Kündigungsfristen beachten. Automatisierte Leistungen begründen kein jederzeitiges Kündigungsrecht.
Quellen: BGH, Urt. v. 17.07.2025 - III ZR 388/23
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Sicher erscheint es recht früh, gut einen Monat vor Antritt wegen eines bereits eingetretenen Unwetters von der geplanten Reise zurückzutreten - aber nur auf den ersten Blick. Das Landgericht Frankfurt am Main (LG) hat sich nämlich eingehender damit beschäftigt, wie sich Auswirkungen schwerer Unwetter auf die erwartete Erholung und das Recht auf Vertragsrücktritt niederschlagen.
Ein Mann hatte eine Pauschalreise nach Norditalien gebucht, die vom 12.06. bis 19.06.2023 stattfinden sollte. Knapp einen Monat zuvor, genauer gesagt am 16.05.2023, kam es in der Region Bologna jedoch zu heftigen Unwettern mit Überschwemmungen, Erdrutschen und sogar Todesopfern. Straßen waren blockiert, Strände geschlossen, Bakterienverseuchung im Meer und die Gefahr einer Mückenplage bestanden. Daher trat der Reisende am Tag danach vom Vertrag zurück und forderte den bereits gezahlten Reisepreis von rund 2.400 EUR ebenso zurück. Das Amtsgericht gab seiner Klage statt.
Der Reiseveranstalter legte Berufung ein, doch das LG bestätigte die Entscheidung. Das Urteil wurde rechtskräftig. Laut Gericht muss der Reisende keine Rücktrittsentschädigung zahlen, weil außergewöhnliche Umstände die Reise erheblich beeinträchtigten. Entscheidend war, dass bei der Rücktrittserklärung aufgrund der Prognose klar abzusehen war, dass die Gefahren bis zum Reisebeginn weiterhin bestehen werden. Das Risiko, dass ein Reisender vorschnell zurücktrete, bestehe zwar grundsätzlich, doch hier war die Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Beeinträchtigung hoch. Schäden an Straßen, Gebäuden, die Bakterienbelastung des Wassers und mögliche Krankheiten machten eine Reise risikoreich. Dass die Reise später mit anderen Teilnehmern planmäßig stattfand, spielte dabei für das Gericht keine Rolle.
Hinweis: Bei extremen Naturereignissen in der Nähe des Reiseziels können Reisende ohne Entschädigung vom Vertrag zurücktreten. Vorher sollten sie die Situation sorgfältig prüfen. Rücktrittsrechte gelten nur, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung wahrscheinlich ist.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.04.2025 - 2-24 S 75/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten. So einfach könnte der Kern des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zusammengefasst werden. Doch bevor dieses zu seinem Urteil kam, musste es sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Bedingungen ein Versicherer nach einem telefonischen Antrag vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen anfechten kann, und unter welchen er zur Zahlung verpflichtet ist.
Beim sogenannten Teleunderwriting einer telefonischen Risikoprüfung handelt es sich um einen vertraulichen und effizienten Service, der es Lebensversicherungsgesellschaften ermöglicht, die persönlichen Gesundheitsfragen in einem Antrag telefonisch mit einem ausgebildeten medizinischen Risikoprüfer zu beantworten. So war es auch in diesem Fall. Ein in Mexiko geborener Mann, der in Deutschland lebte, beantragte 2012 telefonisch eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Er selbst sprach Spanisch, sein Lebensgefährte übersetzte seinerzeit ins Englische. Der Versicherungsmitarbeiter füllte den Antrag aus und kreuzte bei allen Gesundheitsfragen "nein" an, obwohl der Mann zuvor wegen Rückenproblemen, Depressionen und später auch wegen einer Daumengelenksarthrose ärztlich behandelt worden war. Kurz nach dem Telefonat lag der vorausgefüllte Antrag im Briefkasten, der Mann unterschrieb. Als er fünf Jahre später Berufsunfähigkeit anmeldete, lehnte die Versicherung die Zahlung jedoch ab und erklärte den Rücktritt vom Vertrag wegen angeblich falscher Angaben. Der Mann erklärte, er habe nichts verschwiegen und sei davon ausgegangen, dass nur aktuelle schwere Erkrankungen gemeint seien.
Das Landgericht stellte fest, dass die Versicherung weiterhin Bestand habe, und verurteilte den Versicherer zur Zahlung der Leistungen. Das OLG bestätigte diese Entscheidung und begründete dies damit, dass die Versicherung nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten konnte. Für einen Rücktritt müssen die Fragen während des Telefonats korrekt und verständlich vorgelesen werden, damit der Antragsteller sie sicher zur Kenntnis nimmt. Dies konnte die Versicherung in diesem Fall nicht nachweisen. Und auch eine Täuschungsanfechtung scheiterte, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Mann absichtlich falsche Angaben gemacht hatte. Es reichte nicht aus, seine Angaben einfach zu bestreiten; die Versicherung musste einen eindeutigen Beweis vorlegen, was sie nicht konnte.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.06.2025 - 7 U 20/23
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(aus: Ausgabe 10/2025)
Hier steht ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ausnahmsweise mal am Beginn des Falls. Denn der BGH traf bereits eine Entscheidung zur Unwirksamkeit einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank. Ein Verbraucherverein war damit jedoch noch nicht zufrieden, sondern verlangte, dass diese Änderung der AGB auch den betreffenden Bankkunden direkt mitgeteilt werde - und damit kamen hier zuerst das Landgericht (LG) und schließlich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ins Spiel.
Eine Bank hatte in ihren AGB eine Klausel aufgeführt, nach der Kunden für Spareinlagen über einem bestimmten Freibetrag ein sogenanntes Verwahr- und Guthabenentgelt zahlen sollten. Diese Klausel hatte der BGH allerdings bereits für unwirksam erklärt. Das zuständige LG verurteilte die Bank auf Klage eines Verbraucherschutzvereins hin dazu, ihre davon betroffenen Kunden innerhalb von vier Wochen individuell über die Unwirksamkeit der Klausel zu informieren.
Auf die Berufung der Bank bestätigte das OLG diese Verpflichtung. Die Bank hatte durch die unwirksame Klausel eine unzulässige Handlung vorgenommen, bei der bei den Kunden der Eindruck entstand, dass das Verwahrentgelt rechtmäßig sei. Diese Fehlvorstellung verschwand nun aber nicht automatisch durch die gerichtliche Entscheidung. Deshalb müsse die Bank die Kunden direkt informieren - entweder per Post oder per E-Mail. Dabei dürfen nur die Kunden angeschrieben werden, deren Verträge die strittige Klausel enthielten und die klassische unbefristete Spareinlagen unterhielten. Erst diese direkte Information stelle sicher, dass die Kunden die Nachricht auch tatsächlich wahrnähmen, was besonders für ältere Kunden wichtig sei, die im Onlinebanking nicht so sattelfest sind. Die Bank habe daher nach Erhalt der Liste mit betroffenen Kunden zwei Monate Zeit, die individualisierten Schreiben zu versenden.
Hinweis: Banken müssen Kunden aktiv informieren, wenn AGB-Klauseln unwirksam sind. Ein bloßes Einstellen der Information auf der Website reicht nicht aus. Auch ältere Kunden sollen so direkt erreicht werden.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.06.2025 - 3 U 286/22
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