Aktuelle Rechtsprechung
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Zum Thema Arbeitsrecht
- Belegloses Einschreiben: Zugang einer Kündigung muss eindeutig nachweisbar sein
- Fehlerhafte Vergütungseinstufung: BAG stärkt Arbeitnehmerrechte und weist Arbeitgebern Darlegungs- und Beweislast zu
- Keine weitere Möglichkeit: Verlust eines Großauftrags kann wirksame betriebsbedingte Kündigung nach sich ziehen
- Neues zu Nachtzuschlägen: BVerfG stärkt Rechtssicherheit für tarifgebundene Arbeitgeber
- Selbständig oder angestellt? Arbeitnehmereigenschaften müssen nachweisbar sein, um vor Arbeitsgerichten verhandelt zu werden
Dass das große Ganze wesentlich ist, stimmt nicht so ganz. Denn oft entscheiden Details über den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten. Auch im folgenden Fall, bei dem eine Kündigung am finalen Schritt gescheitert ist - nämlich ihrer Zustellung. Was in Sachen ordnungsgemäßer Kündigung bei Einschreiben zu beachten ist, hat hier das Bundesarbeitsgericht (BAG) gründlich dargelegt.
Ein Arbeitgeber wollte eine fristlose Kündigung aussprechen und behauptete, dass zwei seiner Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt hätten. Danach hätten sie es zur Post gebracht und dort am 26.07.2022 um 15.35 Uhr als Einwurfeinschreiben mit Sendungsnummer persönlich aufgegeben. Nach dem Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Arbeitnehmerin am 28.07.2022 auch zugestellt worden. Die Arbeitnehmerin behauptet jedoch, das Schreiben nicht erhalten zu haben, und klagte auf Weiterbeschäftigung.
Und siehe da: Das BAG entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet worden war. Denn der Arbeitgeber konnte den Zugang der Kündigung nicht beweisen. Er hatte hier für den von ihm behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten am 28.07.2022 keinen Beweis angeboten. Vor allem fehlte es an einem Zeugenbeweis der Person, die den Einwurf vorgenommen haben soll. Das BAG stellte auch klar, dass die Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurfeinschreibens und die Darstellung seines Sendungsverlaufs ohne Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs keinen Beweis für den Zugang beim Empfänger begründet. Schließlich fehlten dabei Angaben zum Überbringer der Kündigung sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung.
Hinweis: Die persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens gegen eine Empfangsbestätigung ist immer noch die sicherste Möglichkeit.
Quelle: BAG, Urt. v. 30.01.2025 - 2 AZR 68/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Kläger im folgenden Fall, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden hatte, war ein freigestelltes Betriebsratsmitglied. Die Frage, die dabei im Raum stand: Wer muss bei einer fehlerhaften Vergütung eines Arbeitnehmers eben dafür auch die Beweise liefern - Arbeitgeber oder Arbeitnehmer?
Ein Arbeitnehmer war bei einem großen deutschen Automobilhersteller beschäftigt und seit 2002 ein von der Arbeitsleistung freigestelltes Betriebsratsmitglied. Seit 2003 teilte ihm sein Arbeitgeber stets zu Jahresbeginn mit, dass sein Gehalt entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung angehoben werde, zuletzt in die tarifliche Entgeltstufe (ES) 20. Schließlich überprüfte der Arbeitgeber die Eingruppierung und damit die Höhe der Vergütung des freigestellten Betriebsratsmitglieds. Er kam zu der Auffassung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich zwei Vergütungsstufen niedriger einzustufen sei, nämlich in die tarifliche Vergütungsstufe ES 18. Deshalb forderte er auch für die Zeit von Oktober 2022 bis Januar 2023 die über diese Stufe hinaus gezahlte Vergütung zurück. Im Februar 2023 erhielt der Arbeitnehmer schließlich sein Entgelt entsprechend der Vergütungsstufe ES 17, also noch einmal niedriger. Der Arbeitnehmer forderte daraufhin ein Gehalt entsprechend der Vergütungsstufe ES 20 und klagte.
Ob die Zahlungsansprüche des freigestellten Betriebsrats begründet sind, konnte das BAG zwar nicht abschließend beurteilen - das ist jetzt Aufgabe des Landesarbeitsgerichts (LAG), an das die Entscheidung wieder verwiesen wurde. Eben dieses vorinstanzliche LAG hatte bei dem Anpassungsanspruch der Vergütung die Darlegungs- und Beweislast nämlich beim Arbeitnehmer gesehen. Und hierbei war das BAG diesem gegenüber durchaus hilfreich, denn es ordnet die Darlegungs- und Beweislast vielmehr dem Arbeitgeber zu.
Hinweis: Korrigiert der Arbeitgeber also eine mitgeteilte und gewährte Vergütungserhöhung, hat er auch zu beweisen, dass diese Vergütungserhöhung objektiv fehlerhaft war.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.03.2025 - 7 AZR 46/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Fälle wie dieser werden angesichts eines unsicheren Geschäftsklimas künftig häufiger vorkommen. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) musste über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung entscheiden.
Eine Arbeitnehmerin war bei einem Taxi- und Mietwagenunternehmen als Disponentin beschäftigt. Bis Ende Oktober 2023 führte der Arbeitgeber für eine Verkehrsgesellschaft nahezu den gesamten Rufbusverkehr im Landkreis als Exklusivleistung durch. Als dieser Auftrag endete, führte dieser Umstand zu einem erheblichen Einbruch der Umsätze und der zu disponierenden Fahrten: Statt 6.000 Rufbusfahrten und 750 Taxi- sowie Krankenfahrten mussten ab dem 01.11.2023 nur noch 20 bis 30 Fahrten disponiert werden. Der Arbeitgeber bot daher Disponenten Tätigkeiten als Fahrer an - nur die Disponentin fiel durchs Raster, da sie keinen Führerschein besaß. Gegen die daraufhin erfolgte Kündigung klagte sie.
Dennoch musste das LAG diese Kündigung abnicken, da sie nach Auffassung des Gerichts durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb rechtmäßig war. Es war nachvollziehbar, dass der Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmerin anbieten konnte. Eine Disponententätigkeit war nicht mehr erforderlich und als Fahrerin konnte er die Arbeitnehmerin mangels Fahrerlaubnis nicht einsetzen.
Hinweis: Fällt also tatsächlich ein Großauftrag weg, kann eine betriebsbedingte Kündigung wirksam sein. Aber auch hierbei kommt es auf den Einzelfall an. Stets hat der Arbeitgeber darzulegen, welche Arbeitsplätze genau betroffen sind. Ferner ist im Regelfall auch eine Sozialauswahl durchzuführen.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.01.2025 - 3 SLa 156/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit einem Urteil die Tarifautonomie gestärkt. Denn dem, was die Kollegen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) noch als rechtens ansahen - und zwar eine rückwirkende Anpassung zugunsten von Arbeitnehmern -, konnte der Senat aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustimmen. Was Arbeitgeber und Gewerkschaft vereinbaren, kann ein Gericht nicht ohne weiteres ändern.
Ein Arbeitnehmer, der regelmäßig in Nachtschicht arbeitete, hatte geklagt. Denn nach den auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträgen gab es einen Zuschlag von "nur" 25 % bei regelmäßiger Nachtarbeit und 50 %, wenn außerhalb von Schichtdiensten nur gelegentlich nachts gearbeitet werde. Der Arbeitnehmer zog bis vor das BAG und bekam dort sogar Recht; die Tarifverträge wurden für unwirksam erklärt. Die Folge war, dass die Arbeitgeber höhere Zuschläge zahlen mussten. Eben dies wollten sich die Arbeitgeber nicht gefallen lassen und zogen vor das BVerfG.
Das BVerfG meinte, dass das BAG die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie nicht ausreichend beachtet habe. Dies bedeutet, dass Tarifverträge zwar den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten müssen, Gerichte aber nur willkürliche Ungleichbehandlungen in Tarifverträgen beanstanden dürfen. Daher sind solche Ungleichbehandlungen zu akzeptieren, für die sachliche Gründe objektiv erkennbar seien. Das gilt auch, wenn der Tarifvertrag diese Gründe nicht ausdrücklich nennt. Aber selbst, wenn die unterschiedlichen Nachtzuschläge sachlich nicht gerechtfertigt gewesen wären, hätte das BAG nicht einfach eine Anpassung nach oben anordnen dürfen. Es hätte den Tarifvertragsparteien vielmehr Gelegenheit geben müssen, den Tarifvertrag zu korrigieren.
Hinweis: Das Urteil bedeutet mehr Rechtssicherheit für tarifgebundene Arbeitgeber. Eine rückwirkende Anpassung nach oben zugunsten der Arbeitnehmer ist ausgeschlossen, weil ein Tarifvertrag nicht nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer Vertrauensschutz bietet, sondern auch für die tarifgebundenen Arbeitgeber.
Quelle: BVerfG, Urt. v. 11.12.2024 - 1 BvR 1422/23
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Wenn ein Handelsvertreter nach jahrelanger Tätigkeit behauptet, eigentlich Arbeitnehmer gewesen zu sein, wird es schwer für ihn, die hierfür notwendigen Beweise zu erbringen. Wer sich erst nach jahrelanger Tätigkeit darüber Gedanken macht, ob er womöglich doch nicht selbständig tätig war, kann vom folglich (nicht) zuständigen Arbeitsgericht schnell die kalte Schulter gezeigt bekommen - wie im Fall vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG).
Mit einem im Jahr 2010 abgeschlossenen Handelsvertretervertrag für die Vermittlung von Bauverträgen für Fertighäuser sollte ein Handelsvertreter nach § 84 Abs. 1 Handelsgesetzbuch innerhalb von Deutschland selbständig tätig werden. Dabei sollte er in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Einteilung seiner Arbeitszeit frei sein. Zudem verpflichtete er sich, für die Dauer des Vertragsverhältnisses keinerlei Interessen für konkurrierende Unternehmen wahrzunehmen. Im Gegenzug dafür erhielt er Provisionen. Schließlich wurde das Vertragsverhältnis 2024 von dem Unternehmen gekündigt. Daraufhin machte der Handelsvertreter unter anderem Vergütungsansprüche geltend. Er zog vor die Arbeitsgerichte und schließlich auch vor das LAG, weil er meinte, er sei als Arbeitnehmer tätig gewesen.
Die Arbeitsgerichte waren aber für dieses Ansinnen gar nicht zuständig, da der Handelsvertreter tatsächlich kein Arbeitnehmer war. Zum einen gab es einen gültigen Handelsvertretervertrag, zum anderen war der Mann auch nicht weisungsgebunden tätig. Auch die Frage, ob die Handelsvertretertätigkeit im Neben- oder Hauptberuf ausgeübt worden ist, spielte für das LAG keine Rolle.
Hinweis: Wenn ein Handelsvertreter meint, tatsächlich als Arbeitnehmer tätig geworden zu sein, muss ein solches Verfahren gut überlegt werden. Selbst wenn eine Arbeitnehmereigenschaft festgestellt wird, droht die Rückzahlung von Provisionen an den Arbeitgeber. Denn dieser hätte ja, wenn er gewusst hätte, dass eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, auch keine hohen Handelsvertreterprovisionen gezahlt, sondern nur ein übliches Arbeitsentgelt.
Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 24.02.2025 - 10 Ta 299/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Zum Thema Verkehrsrecht
- Betrachtung des Schadensgeschehens: Anscheinsbeweis entscheidet nach berührungslosem Unfall
- Ersatz unfallbedingter Kosten: Mietwagen auch nach Unfall mit Fahrzeug ohne HU-Plakette
- Hinterbliebenengeld: Stark alkoholisierter Fußgänger trägt Hauptverantwortung beim Überqueren der Fahrbahn
- Mithaftung trotz Vollkasko: Wer im Mietfahrzeug die Durchfahrtshöhe ignoriert, handelt grob sorgfaltswidrig
- Widerrufsbelehrung ohne Telefonnummer: BGH nimmt Verbraucher bei Onlineverträgen stärker in die Eigenverantwortung
Im Straßenverkehr entscheiden Sekunden, wie glimpflich eine unerwartete Begegnung ausgeht. Deshalb haben Gerichte über Kausalitäten und Verantwortlichkeiten auch bei jenen Unfällen zu entscheiden, bei denen es gar nicht zu Berührungen der Unfallgegner bzw. von deren Fahrzeugen gekommen ist. Im Folgenden hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort.
Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad hinter einem Pkw. Die Beklagte fuhr ihrerseits mit ihrem Pkw die Gegenrichtung entlang, als ihre Fahrbahn in einer leichten Rechtskurve durch ein Müllabfuhrfahrzeug blockiert wurde. Um an diesem Fahrzeug vorbeizufahren, wechselte die Beklagte auf die Gegenfahrbahn. Der ihr dort entgegenkommende Pkw bremste stark ab, um eine Kollision mit der Beklagten zu vermeiden. Auch der hinter diesem Pkw fahrende Biker machte eine Vollbremsung, wobei sein Motorrad ins Rutschen geriet, stürzte und sich der Mann dabei erhebliche Verletzungen zuzog. Zu einer Kollision des Motorrads mit dem vorausfahrenden Pkw kam es glücklicherweise nicht auch noch. Dennoch begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall verpflichtet seien.
Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber zu 40 % haftet, obwohl keine Kollision stattgefunden habe. Das Fahrverhalten der Beklagten hatte den Sturz des Klägers verursacht. Sie hatte ein Müllabfuhrfahrzeug umfahren, was eine Vollbremsung des Gegenverkehrs und den Sturz des Klägers zur Folge hatte. Der Wechsel auf die Gegenfahrbahn, um an dem haltenden Müllabfuhrfahrzeug vorbeizufahren, beeinflusste das Fahrmanöver des Klägers - zumindest mittelbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Schaden nämlich bereits dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Das sei dann gegeben, sobald bei der gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Dem Kläger war dennoch eine Mithaftung anzurechnen, weil er die Vorder- und Hinterradbremse derart betätigt hatte, dass beide Bremsen am Motorrad blockierten. Der Sturz wäre bei dem Motorrad des Klägers, das nicht über ein ABS verfüge, durch eine kontrollierte Betätigung der Vorderradbremse demnach vermeidbar gewesen.
Hinweis: Ein sogenannter berührungsloser Unfall ist dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, wenn also bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.
Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 18/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
In der Regel müssen sich privat gefahrene Pkws und Motorräder alle 24 Monate einer Hauptuntersuchung (HU) unterziehen. Wer eine solche schwänzt und dann einen Unfall verursacht, der auf einen Mangel zurückzuführen ist, der bei der HU beanstandet worden wäre, kann in Regress genommen werden. Ob aber auch ein unverschuldeter Unfall einen Fahrzeughalter teuer zu stehen kommt, der seiner Pflicht zur HU nicht nachgekommen war, musste der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Ein Autofahrer erlitt einen unverschuldeten Unfall und machte daraufhin seine Ansprüche der gegnerischen Versicherung gegenüber geltend. Diese zahlte auch fast alles, verweigerte aber die Erstattung der Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur. Sie argumentierte, dass der verunfallte Wagen keine gültige HU-Plakette aufgewiesen habe. Daher habe der Fahrzeugführer das Fahrzeug nicht mehr fahren dürfen. Er hätte den Wagen sowieso in die Werkstatt geben müssen, um die HU durchführen zu lassen, so dass die Mietwagenkosten nicht wegen des Unfalls angefallen wären, sondern nur "bei Gelegenheit" des Unfalls. Das wollte der Geschädigte nicht hinnehmen und klagte.
Der BGH entschied, dass allein das Überschreiten des HU-Termins nicht dazu führt, dass das Fahrzeug nicht mehr gefahren werden darf - selbst bei einer erheblichen Überschreitung von mehr als einem halben Jahr. Denn: Solange keine behördliche Untersagung vorliegt, darf so ein Fahrzeug gefahren werden, wenn das Fahrzeug verkehrssicher und mängelfrei ist. Hier ist daher der Werkstattaufenthalt allein durch den Unfall motiviert gewesen. Die Vorinstanz hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Fahrzeug verkehrssicher war, daher wurde der Fall für eben jene Feststellungen dorthin zurückverwiesen.
Hinweis: Richtig ist zwar, dass mit der HU dafür gesorgt werden soll, dass Fahrzeuge während ihres Betriebs in einem sicheren und umweltfreundlichen Zustand gehalten werden. Doch auch wenn die zuständige Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ein Nutzungsverbot nicht bereits beim Überschreiten des Vorführtermins eines Pkw zur HU vorsieht: Gehen Sie auf Nummer sicher und mit Ihrem Fahrzeug fristgerecht zum TÜV oder zur Dekra.
Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 117/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Verliert eine Mutter ein Kind, ist das an Tragik oft nicht zu überbieten. Dennoch müssen Gerichte wie im Folgenden das Oberlandesgericht Celle (OLG) auch bei Todesfällen Sachlichkeit wahren und den Anspruch an Hinterbliebenengeld und Bestattungskostenübernahme an den gegebenen Fakten messen.
Ein Mann wurde von einem Fahrzeug erfasst, als er im stark alkoholisierten Zustand mit 2 ‰ eine Landstraße überquerte. Dabei kollidierte er mit dem vom Beklagten geführten Fahrzeug und verstarb noch am Unfallort. Die Mutter des Verstorbenen verlangte als Klägerin nun unter anderem ein Hinterbliebenengeld von 12.000 EUR. Das zunächst mit der Sache befasste Landgericht (LG) sprach der Klägerin von ihren geltend gemachten Ansprüchen 3.333 EUR aufgrund des der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens des Geschädigten zu, wobei es dabei ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000 EUR angesetzt und der Klägerin somit 1/3 zugesprochen hatte. Dem Beklagten war dabei der Verschuldensvorwurf zu machen, dass er in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußwegs seine Geschwindigkeit nicht reduziert hatte. Der Bremsvorgang bei Fußgängern, die unvorhergesehen die Straße überqueren, sei daher zu lang gewesen. Dennoch habe der Geschädigte den Unfall größtenteils selbst verschuldet, weil er die Straße überquert hatte, ohne auf das bevorrechtigte Fahrzeug zu achten.
Das OLG hat die Entscheidung des LG bestätigt. Der Unfall war überwiegend durch den stark alkoholisierten Fußgänger verschuldet worden. Dieser hatte gegen die ihn treffenden Sorgfaltsanforderungen verstoßen, indem er sich nicht hinreichend davon überzeugt hatte, dass der Beklagte ihn trotz seines Vorrangs auf der Fahrbahn sicher passieren lassen wollte. Nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen hätte der Fußgänger den Unfall durch einen Verzicht oder Abbruch seiner Fahrbahnüberquerung verhindern können. Für ihn war das sich nähernde Beklagtenfahrzeug sichtbar. Der Geschädigte hätte auf seiner Fahrbahnseite stehen bleiben und den Beklagten vorbeifahren lassen können - und müssen. Der Geschädigte hatte damit die entscheidende Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt. Dennoch trifft auch den Beklagten ein Mitverschulden, weil er seine Geschwindigkeit nicht reduzierte, obwohl er von dem Fußweg wusste.
Hinweis: Grundsätzlich gilt, dass das Überschreiten einer Fahrbahn von einem Fußgänger erhöhte Sorgfalt erfordert. Da eine Fahrbahn in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient, hat der Fahrzeugführer grundsätzlich Vorrang. Auf den bevorrechtigten Fahrzeugverkehr hat der Fußgänger Rücksicht zu nehmen, also bei Annäherung eines Fahrzeugs zu warten; der Kraftfahrer darf darauf vertrauen, dass ein Fußgänger die Fahrbahn nicht kurz vor seinem Fahrzeug zu überqueren versucht. Das Betreten der Fahrbahn ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs ist in der Regel grob fahrlässig.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 18.12.2024 - 14 U 119/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Wer ein Auto anmietet, tut gut daran, einen Vollkaskoschutz abzuschließen. Doch wer meint, damit sei jeder Schadensersatz abgewendet, der aus eigener Tasche zu begleichen sei, der irrt. So musste sich ein Beklagter vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) der Prüfung unterziehen, wie hoch das Eigenverschulden daran war, dass das angemietete Fahrzeug beschädigt wurde.
Der Fall ist schnell erklärt: Der Beklagte fuhr in eine Tiefgarage ein, deren Durchfahrtshöhe für Fahrzeuge auf 2,10 m begrenzt war. Das entsprechend über der Einfahrt angebrachte Zeichen 265 zeigte diese Begrenzung deutlich auf. Doch es kam, wie es kommen musste: Der Mann ignorierte das Zeichen und beschädigte das Mietfahrzeug.
Nach Auffassung des OLG steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung des angemieteten Fahrzeugs zu. Der Beklagte hat zumindest fahrlässig die Beschädigung des Mietfahrzeugs verursacht, indem er mit dem von ihm angemieteten Fahrzeug in die Tiefgarage einfuhr. Weil diese für Fahrzeuge mit einer Fahrzeughöhe über 2,10 m nicht zugelassen war, habe er seine Pflicht verletzt, aus dem zugrundeliegenden Mietvertrag alles zu unterlassen, was zu Schäden an dem gemieteten Fahrzeug führen kann. Damit habe er sich schadensersatzpflichtig gemacht. Zwar haben die Parteien im Mietvertrag eine Haftungsbefreiung nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung vereinbart. Laut dieser hafte der Beklagte über den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt von 150 EUR hinaus lediglich dann, wenn er den Schadensfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Hier ging der Senat in der Tat davon aus, dass dies der Fall war. Der Beklagte handelte grob sorgfaltswidrig, weil er in die Tiefgarage einfuhr und dabei - wie er selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat - das über der Einfahrt angebrachte Zeichen 265 übersah, das auf eine maximale Durchfahrtshöhe von 2,10 m hinwies.
Hinweis: Das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ist eine Frage des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv und subjektiv schweren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein. Zudem muss dabei unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt hierbei für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv "schlechthin unentschuldbare" Pflichtverletzung vorliegt.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 12.12.2024 - 12 U 42/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Der folgende Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) erklärt die Zeiten, in denen das Internet als Neuland galt, für vergangen. Denn was er aktuell für Anforderungen an Widerrufsbelehrungen in Neuwagenkaufverträgen bei Fernabsatzgeschäften stellt - zu denen eben auch das Internet zählt -, nimmt Verbraucher schlichtweg mehr in die Eigenverantwortung.
Der Mann erwarb im Februar 2022 von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Website unter Kontakt und im Impressum ihre Telefonnummer angegeben hatte, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Version. Darin wurden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt - deren Telefonnummer hingegen nicht. Ein Widerruf solle laut Hinweis mittels einer eindeutigen Erklärung durch einen per Post versandten Brief oder eine E-Mail erklärt werden. Am 23.08.2022 wurde dem Käufer das Fahrzeug übergeben. Am 20.06.2023 erklärte er per E-Mail jedoch den Widerruf seiner auf Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärung und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Dabei ging er davon aus, dass sein Widerruf des Vertrags noch rechtzeitig sei - der Grund hierfür sei die fehlerhafte Information zum Widerruf.
Der BGH hielt die Klage - wie die Vorinstanzen im Übrigen auch - für unbegründet. Teilt ein Unternehmer in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mit, ist die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich. Zudem sei diese hier ohne weiteres auf der Internetseite zugänglich gewesen. Bereits durch die Angabe ihrer E-Mail-Adresse, ergänzt durch die Mitteilung ihrer Postanschrift, habe die Beklagte den Verbrauchern Möglichkeiten eröffnet, schnell mit ihr in Kontakt zu treten und effizient mit ihr zu kommunizieren. Dabei waren den Verbrauchern andere Kommunikationswege auch nicht verstellt, da die vom Kläger in der Widerrufsbelehrung vermisste Telefonnummer sowohl im Impressum als auch unter der Kontaktoption problemlos zu finden war.
Hinweis: Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine Widerrufsfrist von 14 Tagen ab Erhalt der Ware gilt (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) oder ob das Widerrufsrecht erst mit zwölf Monaten und 14 Tagen nach dem Beginn der gesetzlichen Widerrufsfrist erloschen ist (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der BGH hat die Anforderungen an Widerrufsbelehrungen in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften nunmehr näher bestimmt. Demnach ist es für eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer nicht erforderlich, dass auf der Internetseite in der Widerrufsbelehrung - über die Post- und E-Mail-Adresse hinaus - auch eine Telefonnummer des Unternehmers angegeben wird.
Quelle: BGH, Beschl. v. 25.02.2025 - VIII ZR 143/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Aggressiv statt "dominant": Rückabwicklung eines Vertrags über den Kauf eines schwierigen Pferds
- Bank winkt ab: Kein Schadensersatz bei telefonischer Freigabe einer TAN
- Falsche Kontoverbindung: Elektronischer Rechnungsverkehr ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist Risiko des Versenders
- Gepäck weg: Welche Anschaffungen auf einer Kreuzfahrt in den Polarkreis ersatzfähig sind
- Verspäteter Koffer kaputt: Frist für verdeckte Schäden nicht bei deutlich beschädigtem Kofferschloss ausschöpfbar
Was gesagt wurde und was gemeint ist, ist im zwischenmenschlichen Miteinander oft ein Buch mit sieben Siegeln. So ging es vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) auch um die Frage, wie weit sich die Bedeutung interpretieren lässt, ein angebotenes und schließlich verkauftes Pferd sei "etwas dominant", während ein ehemaliger Vorbesitzer "schwierig im Umgang" für die trefflichere Beschreibung hielt. Interpretationssache oder arglistige Täuschung?
Eine Frau hatte für etwas über 5.000 EUR die betreffende Stute gekauft. In dem Vertrag stand, dass das Pferd "etwas dominant" sei. Die Verkäuferin selbst hatte das Pferd erst einen Monat zuvor von dem Voreigentümer zu einem deutlich geringeren Preis gekauft - mit dem Hinweis, es sei "schwierig im Umgang". Nun musste die neue Besitzerin leider feststellen, dass das vermeintlich "etwas dominante" Pferd recht aggressive Verhaltensweisen zeigte. Es ließ sich nicht reiten, legte die Ohren an, lief mit gesenktem Kopf auf die Mitarbeiter zu und keilte aus. Daraufhin wurde der Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Schließlich klagte die Käuferin die Rückabwicklung des Vertrags ein.
Das OLG entschied nach Durchführung einer Beweisaufnahme, dass der Käuferin ein Anfechtungsrecht zustand. Die Verkäuferin hat ihr daher den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Herausgabe des Pferds zu ersetzen. Daneben kann die Käuferin auch teilweise die Zahlung der Kosten für Unterstellung, Fütterung und notwendige Tierarztkosten für das Pferd verlangen. Denn die Verkäuferin hat Kenntnis vom aggressiven Verhalten des Pferdes gehabt. Daher hatte sie eine Aufklärungspflicht gegenüber der unwissenden Käuferin. Das aggressive Gebaren des Pferds ging eindeutig über ein als "etwas dominant" beschriebenes Verhalten hinaus.
Hinweis: Wer etwas verkauft, sollte Mängel nicht verschweigen. Das ist nicht nur unfair, sondern kann auch harte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 30.01.2025 - 8 U 215/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Onlinebanking gilt als sicher, solange sich die Kunden an die ordnungsgemäße Nutzung halten. Im Folgenden war eine eigentlich sichere Zwei-Faktor-Authentisierung, bei der ein online ausgelöster Auftrag auf einem anderen onlinefähigen Gerät bestätigt werden muss, durch einen dritten Faktor gestört: einen angeblichen Mitarbeiter am Telefon. Das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) musste entscheiden, ob der folglich entstandene Schaden erstattungsfähig war oder nicht.
Eine Frau hatte bei ihrer Bank ein Girokontomodell mit Online-Banking und dem sogenannten push-TAN-Verfahren gewählt. Bei diesem Verfahren wird die jeweilige Freigabe eines an einem onlinefähigen Gerät ausgelösten Bankingauftrags auf einem weiteren Gerät - Smartphone oder Tablet - per spezieller App erteilt. Dann jedoch erhielt die Bankkundin einen Anruf eines angeblichen Bankmitarbeiters, der von einem Versuch einer unberechtigten Kreditkartenanmeldung berichtete. Er forderte die Frau auf, das push-TAN-Verfahren durchzuführen, um die Kreditkartenanmeldung zu ihrem Konto zu löschen. Auf seine Anweisung hin wiederholte sie diesen Vorgang viermal. Er gab ihr anschließend die Auskunft, dass ihr Konto zur Sicherheit gesperrt werde, sie aber mit der EC-Karte weiterhin zahlen könne. Von dem Konto der Frau wurden schließlich mittels einer neu registrierten Kreditkarte insgesamt knapp 8.000 EUR abgebucht. Als die Bank die Regulierung des Schadens ablehnte, klagte die Frau - allerdings vergeblich.
Die Frau hatte nach Auffassung des OLG pflichtwidrig einen durch Dritte veranlassten Buchungsvorgang im Wege des push-TAN-Verfahrens freigegeben. Aus den Sicherheitshinweisen der Bank ergab sich jedoch eindeutig, dass Bankmitarbeiter am Telefon niemals dazu auffordern, eine TAN zu nennen oder einen Auftrag mit der push-TAN-App freizugeben. Die Frau hätte durch den Telefonanruf misstrauisch werden müssen.
Hinweis: Wer telefonisch eine geheime Nummer freigibt, muss sich nicht wundern, dass die Bank keinen Schadensersatz leisten muss. Sparkassen, Banken, Versicherungen und alle anderen Unternehmen rufen niemals an und verlangen die Preisgabe oder Verwendung von geheimen Informationen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 06.01.2025 - 4 U 439/23
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Unternehmen sollten sich in Sachen Eigensicherung den folgenden interessanten und äußerst praxisrelevanten Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) gut merken. Denn er betrifft den Rechnungsversand per E-Mail - also den Weg, den wohl die meisten Firmen in Deutschland mittlerweile wählen, um an ihr Geld zu kommen.
Ein Unternehmen führte Installationsarbeiten im Haus einer Kundin durch. Zwei der insgesamt drei Rechnungen wurden durch sie auch problemlos bezahlt. Dann folgte eine dritte Rechnung über 15.000 EUR, die genau wie die vorherigen Rechnungen per E-Mail im PDF-Format übermittelt wurde. Auch diesen Betrag beglich die Kundin zwar, doch kam das Geld beim Installationsunternehmen nie an. Denn die Rechnung war auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert und damit der berechnete Betrag auf das Konto dieses unbekannten Dritten überwiesen worden. Nun wollte das Unternehmen seine Rechnung (trotzdem) bezahlt bekommen - irgendwie verständlich. Und die Kundin - ebenso verständlich - weigerte sich, so dass das Ganze vor dem OLG landete.
Wenn eine per E-Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss der Kunde laut Urteil des OLG nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dieser die Rechnung ohne sogenannte "Ende-zu-Ende-Verschlüsselung" versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung besteht.
Hinweis: Das Urteil hat Sprengkraft, denn letztendlich wird nahezu jedes Unternehmen mit dem vorbezeichneten Risiko bedroht sein. Der Versand von Rechnungen per E-Mail ohne weitere Verschlüsselung birgt ab sofort enorme Risiken.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.12.2024 - 12 U 9/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Einen interessanten Fall des Reiserechts musste das Landgericht München II (LG) entschieden. Hierbei ging es um auf dem Hinflug verirrtes Reisegepäck, das nicht etwa nachreisen konnte, sondern durch seine Verspätung von der Reise ausgeschlossen wurde. Und weil es hier nicht nur auf hohe See, sondern in die Polarregion ging, war klar, dass es sich beim Streit nicht um den Ersatz von leichter Strandkleidung handeln dürfte.
Auf dem Hinflug zu einer elftägigen Pauschalreise nach Longyearbyen in Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt "Auf den Spuren der Eisbären" für zwei Personen ging das Gepäck verloren. Deshalb kauften die beiden vor der Abfahrt des Schiffs in Outdoorläden in Longyearbyen das Notwendigste nach. An Bord des Schiffs gab es zudem eine Boutique und einen Wäscheservice, Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden wiederum gestellt. Insgesamt zahlten die beiden Reisenden ca. 2.300 EUR. Die Reiseveranstalterin erstattete außergerichtlich 25 % vom gezahlten Reisepreis und 1.500 EUR für die Ersatzbeschaffungen. Das reichte den Reisenden nicht und sie klagten den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 % vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen "Schadensersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden" ein.
Das LG entschied, dass der gezahlte Reisepreis um 30 % gemindert werden kann, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden bei dem Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. Bei den Ersatzbeschaffungen der Bekleidung dürfte kein Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen werden. Zwar können die Sachen nach der Rückkehr noch benutzt werden, die Reisenden hatten jedoch überzeugend dargelegt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigen. Anders verhielt sich dies bei den Verbrauchsartikeln wie Waschmittel oder Zahnpasta, denn die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel weiter nutzen. Ein Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit bestand ebenfalls nicht. Bei einer Expeditionsreise kommt es im Wesentlichen auf die landschaftlichen Aspekte der Polarregion sowie der Tierwelt an. Die Annehmlichkeiten an Bord eines Expeditionsschiffs bilden nicht den Kernbereich einer Expeditionsreise.
Hinweis: Wie bei jedem Mangel im Reiserecht ist es wichtig, dass Betroffene den Mangel rechtssicher feststellen lassen und auch sofort bei der Reiseleitung rügen.
Quelle: LG München II, Urt. v. 10.01.2025 - 14 O 2061/24
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(aus: Ausgabe 05/2025)
Mit dem Personal, das für das Gepäck an den Flughäfen verantwortlich zeichnet, möchte man sicher nicht tauschen. Doch alles Verständnis für die körperlich schwere Arbeit ist meist verflogen, wenn der eigene Koffer verschwunden bleibt. Wer Glück hat, bekommt sein Gepäck zwar verspätet, aber dennoch wohlbehalten zurück. Im Fall des Landgerichts Saarbrücken (LG) ging die Sache mit dem Koffer jedoch anders aus.
Ein Mann war mit seiner Familie in den Sommerurlaub geflogen. Bei der Rückkehr in Deutschland meldete er das Fehlen seines Koffers am Schalter der Fluggesellschaft. Am 31. August wurde der Koffer dem Mann nach Hause gebracht. Am 7. September reklamierte die Ehefrau des Manns auf der Internetseite der Fluggesellschaft die Schäden an dem Koffer sowie fehlenden Inhalt. Das Schloss sei abgebrochen gewesen, und es würden unter anderem ein Föhn im Wert von knapp 500 EUR sowie zwei Ringe im Wert von 119 EUR und 129 EUR fehlen. Insgesamt wären Gegenstände im Wert von knapp 1.400 EUR verschwunden. Als die Fluggesellschaft sich weigerte, zu zahlen, klagte der Mann sein Geld ein.
Die Klage wurde vom LG jedoch abgewiesen. Zwar hatte der Mann grundsätzlich einen Anspruch aus Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens (MÜ). Allerdings war der Anspruch nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 MÜ befristet. Im Fall einer Beschädigung muss der Empfänger unverzüglich nach Entdeckung des Schadens eine Anzeige erstatten, bei aufgegebenem Reisegepäck jedenfalls binnen sieben Tagen nach der Annahme. Bei dieser Frist handelt es sich jedoch um eine Höchstfrist, die auch - zunächst - verdeckte Schäden erfasst. Diese Frist kann dabei nicht immer voll ausgeschöpft werden. Bei einem erkennbar äußerlich beschädigten Koffer muss der Inhalt grundsätzlich direkt kontrolliert werden. Und das war hier nicht passiert.
Hinweis: Die Schadensfeststellung muss innerhalb der Mindestfrist erfolgen, die notwendig ist, um den Schadensfall zu prüfen und eine inhaltlich und formell ausreichende Schadensanzeige zu übermitteln. So wird auch in diesem Fall deutlich, dass eine ordnungsgemäße Anzeige des Mangels im Reiserecht zur Durchsetzung von Ansprüchen enorm wichtig ist.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 12.12.2024 - 13 S 70/24
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