Aktuelle Rechtsprechung
Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Arbeitsrecht
- Abhängig beschäftigt: Wann Rallyefahrer als Arbeitnehmer gelten und nicht als Selbständige
- Bitcoin statt Euro? Bundesarbeitsgericht bewertet Lohnzahlungen in Kryptowährung
- Fristen bei Betriebsratswahl: Bundesarbeitsgericht sieht in frühzeitiger Bekanntgabe von Vorschlagsliste kein Problem
- Krankgeschrieben beim Karneval: Wer Genesung verzögert oder Krankheit verschlimmert, muss mit Kündigung rechnen
- Teurer Softwaretest: Arbeitgeber gibt zu viele Daten preis und muss zahlen
Das Landessozialgericht Hessen (LSG) musste das Ergebnis des Rentenversicherers prüfen, der seinerseits nach einer beantragten Prüfung festgestellt hatte: Dieser Rallyefahrer und sein Beifahrer sind keine Selbständigen, sondern abhängig Beschäftigte. Die Zeichen dafür, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) richtig lag, waren deutlich.
Eine Autofirma stellte infrage, dass ihre Rallyefahrer selbständig waren, und stellte deshalb einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung. Die Firma hatte ja schließlich mit Fahrer und Beifahrer Verträge geschlossen, dass beide nur für dieses Team fahren durften, mussten ärztliche Untersuchungen durchlaufen und an Fitnessprogrammen teilnehmen. Die Firma durfte ihre Gesundheit regelmäßig kontrollieren. Zuerst bekam der Fahrer statt Geld ein Auto zur privaten Nutzung. Später gab es eine feste Jahresvergütung und Prämien. Die Pokale und Preise, die das Team gewann, blieben im Besitz der Autofirma. Auch das Aussehen der Rennausrüstung und der Fahrzeuge legte die Firma fest. Die Rentenversicherung stellte anhand dieser Prämissen fest, dass es sich um ein abhängiges Arbeitsverhältnis handelte.
Das LSG bestätigte diese Einschätzung. Die Firma bestimmte nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch das komplette Umfeld. Fahrer und Beifahrer durften nicht für andere Teams fahren oder zusätzliches Geld durch Sponsoren verdienen. Der Beifahrer gab genaue Anweisungen, der Fahrer setzte sie direkt um - wie bei einem klassischen Team aus Chef und Ausführer. Außerdem lief alles rund um die Rennen - von der Anreise bis zur Abreise - nach den Plänen der Firma. Sie bestimmte den Ablauf, stellte alle nötigen Mittel wie Autos und Werkzeug zur Verfügung, und das Team trug kein unternehmerisches Risiko.
Hinweis: Wer eng in die Abläufe eines Unternehmens eingebunden ist, kein eigenes Risiko trägt und Vorgaben befolgen muss, arbeitet meist nicht selbständig. Auch der Wunsch, im Motorsport Karriere zu machen, macht daraus noch keinen freien Beruf.
Quelle: LSG Hessen, Urt. v. 16.05.2025 - L 1 BA 34/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich kürzlich mit der Frage befasst, ob Lohn auch in Bitcoin oder Ethereum ausgezahlt werden darf. In dem Fall aus der Kryptobranche traf das Gericht eine klare Entscheidung. Allerdings gibt es auch hierbei Einschränkungen - selbst, wenn beide Vertragsseiten anderes vereinbart haben. Lesen Sie hier, warum.
Eine Mitarbeiterin war bei einem Unternehmen beschäftigt, das mit Kryptowährungen handelt. Neben ihrem Gehalt hatte sie Anspruch auf Provisionen. Diese sollten in Ethereum (ETH) ausgezahlt werden - basierend auf dem Wechselkurs am Auszahlungstag. Doch die Firma zahlte lange Zeit nichts aus. Erst Ende 2021 überwies sie einen größeren Betrag in Euro. Die Mitarbeiterin war damit nicht zufrieden und forderte weitere 19,194 ETH - umgerechnet rund 43.000 EUR. Die Firma meinte jedoch, Löhne dürften nur in Euro gezahlt werden.
Das sah das BAG anders. Es erklärte: Zwar sei Ethereum kein offizielles Zahlungsmittel. Aber sogenannte "Sachbezüge" - also nicht in Geld ausgezahlte Teile des Gehalts - sind erlaubt, wenn sie im Interesse der Beschäftigten liegen. Genau das war hier der Fall. Beide Seiten hatten die Auszahlung in Ethereum vereinbart. Allerdings schränkte das Gericht ein: Ein Teil des Lohns muss immer in Euro gezahlt werden - und zwar so viel, dass dieser Teil nicht gepfändet werden kann. Damit soll verhindert werden, dass Beschäftigte plötzlich ohne Geld dastehen, wenn der Kryptokurs einbricht oder sie schnell Bargeld benötigen.
Hinweis: Solche Sonderregelungen sind nur möglich, wenn beide Seiten das ausdrücklich vereinbaren. Kryptowährungen können Teil des Gehalts sein - aber nur unter bestimmten Bedingungen. Ein pfändungssicherer Grundbetrag muss immer in Euro gezahlt werden.
Quelle: BAG, Urt. v. 16.04.2025 - 10 AZR 80/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste entscheiden, ob eine vorzeitig veröffentlichte Liste mit Wahlvorschlägen bei einer Betriebsratswahl im vereinfachten Verfahren automatisch zur Ungültigkeit der Wahl führt. Dabei war es anderer Meinung als die Kollegen der Vorinstanzen - weil es die entscheidende Frage beantworten konnte, ob es überhaupt eine klare gesetzliche Regel gibt, die ein vorzeitiges Aushängen verbietet.
In einem Betrieb mit rund 77 Beschäftigten fand im Mai 2022 eine Betriebsratswahl statt. Der Wahlvorstand hatte das Wahlausschreiben Ende März veröffentlicht und dabei alle Fristen und Hinweise bekanntgegeben. Am 06.05.2022 - dem letzten Tag für die Abgabe von Wahlvorschlägen - reichte der Wahlvorstand selbst eine Liste mit acht Kandidaten ein. Noch am selben Nachmittag erklärte er die Liste für gültig und hing sie aus. Zehn Tage später wurde gewählt. Die Arbeitgeberinnen des Gemeinschaftsbetriebs waren damit nicht einverstanden. Sie meinten, die Wahl sei ungültig, weil der Wahlvorstand seine Vorschlagsliste zu früh veröffentlicht habe - also vor Ablauf der gesetzlichen Frist für weitere Vorschläge. Das könne andere Bewerber abgeschreckt haben. Außerdem habe der frühere Betriebsratsvorsitzende, der auch im Wahlvorstand saß, seine Rolle nicht neutral ausgeübt.
Die Arbeitgeberinnen klagten und bekamen zunächst Recht - das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht (LAG) erklärten die Wahl für ungültig. Doch das BAG entschied anders. Zwar könne eine Wahl angefochten werden, wenn gegen wichtige Vorschriften verstoßen werde. Das gelte aber nur, wenn der Fehler das Wahlergebnis beeinflusst habe. Dass der Wahlvorstand die Liste am selben Tag der Abgabe schon nachmittags ausgehängt hatte, war nach Ansicht der Richter kein so schwerer Verstoß. Es gibt keine klare gesetzliche Regel, die ein vorzeitiges Aushängen verbietet. Wichtig ist nur, dass alle Fristen zur Abgabe von Vorschlägen eingehalten wurden. Und das war hier der Fall. Das BAG schickte den Fall zurück an das LAG - dort muss jetzt weiter geprüft werden, ob andere Gründe für eine gültige Anfechtung vorliegen.
Hinweis: Eine frühzeitige Veröffentlichung von Wahlvorschlägen ist nicht automatisch ein Fehler. Entscheidend ist, ob das Wahlergebnis durch den Vorgang beeinflusst wurde. Der Wahlvorstand darf nur neutral handeln, und Verstöße dagegen müssen bewiesen werden.
Quelle: BAG, Urt. v. 27.11.2024 - 7 ABR 32/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) musste entscheiden, ob eine Kündigung rechtens ist, weil ein krankgeschriebener Mitarbeiter während der Karnevalszeit an einer Veranstaltung teilgenommen hat. Dieser Fall zeichnet sich dadurch aus, dass er hervorragend aufzeigt, wie schwierig es sein kann, das richtige oder eben falsche Verhalten während einer Krankschreibung zu beurteilen.
Ein Logistikmitarbeiter war während der Karnevalszeit krankgeschrieben. Dann jedoch tauchte ein Video auf, das ihn bei einem sogenannten "Generalkorpsappell" in einem Hotel zeigte - in voller Karnevalsmontur. Der Arbeitgeber warf ihm daraufhin vor, gar nicht richtig krank gewesen zu sein, und kündigte ihm. Der Mitarbeiter wehrte sich gegen die Kündigung und erklärte, es habe sich nicht um eine klassische Karnevalsfeier gehandelt, sondern um eine Art Vereinsversammlung. Dort sei er nur kurz gewesen, um zu testen, wie belastbar er schon wieder sei. Zudem habe sein Arzt bestätigt, dass sein Atemwegsinfekt fast abgeklungen gewesen sei und die Teilnahme an der Veranstaltung seine Gesundheit nicht gefährdet habe. Der Arzt war von der Schweigepflicht entbunden und bestätigte das schriftlich.
Das reichte dem LAG. Das Gericht befand, dass der Mitarbeiter glaubhaft gemacht habe, wirklich krank gewesen zu sein. Damit wäre es nun am Arbeitgeber gewesen zu beweisen, dass die Krankheit nur vorgeschoben gewesen war. Eben dies konnte er aber nicht, und somit war die von ihm ausgesprochene Kündigung unwirksam.
Hinweis: Wer krankgeschrieben ist, darf nichts tun, was den Heilungsprozess gefährden könnte. Spaziergänge, Einkaufen oder Treffen mit Freunden sind aber oft erlaubt - je nachdem, woran man erkrankt ist. Entscheidend ist dabei immer, ob das entsprechende Verhalten die Genesung verzögert oder die Krankheit gar verschlimmern kann.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 21.01.2025 - 7 SLa 204/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Welche Daten seiner Mitarbeiter ein Arbeitgeber weitergeben darf, ist auch nach neun Jahren Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vielen unklar. Daher musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun auch über die Frage entscheiden, ob ein Arbeitgeber zu Testzwecken zu viele Mitarbeiterdaten an eine neue Personalsoftware weitergegeben hatte, und - wenn ja - welche Schadensersatzforderung hierbei anzusetzen sei.
Ein Unternehmen wollte eine neue Software zur Personalverwaltung testen und übermittelte dafür echte Mitarbeiterdaten an die Konzernmutter. Laut einer Betriebsvereinbarung durfte der Arbeitgeber auch bestimmte Daten weitergeben - wie Name, Eintrittsdatum und Arbeitsort. Tatsächlich aber schickte er zudem noch sensible Informationen wie Gehalt, Privatadresse, Geburtsdatum und Steuer-ID. Ein Mitarbeiter war damit nicht einverstanden. Er meinte, diese Daten seien für den Test nicht nötig gewesen, und verlangte 3.000 EUR Schadensersatz, weil er die Kontrolle über seine Daten verloren hatte.
Der Fall ging durch alle Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof und endete schließlich beim BAG. Eben dieses Gericht gab dem Mitarbeiter nun Recht - zumindest teilweise. Das BAG sah durchaus einen Verstoß gegen die DSGVO, weil der Arbeitgeber mehr Daten als erlaubt weitergegeben hatte. Doch in der Konsequenz zeigte sich das Gericht weniger großzügig als vom Mitarbeiter erwartet; es sprach dem Mann 200 EUR Schadensersatz zu.
Hinweis: Auch wenn der Schadensersatz gering war, kann ein Verstoß gegen den Datenschutz teuer werden - vor allem wegen des hohen Aufwands bei solchen Verfahren. Arbeitgeber sollten stets nur die Daten weitergeben, die wirklich notwendig sind - eine Betriebsvereinbarung ersetzt die datenschutzrechtlichen Grenzen nämlich nicht.
Quelle: BAG, Urt. v. 08.05.2025 - 8 AZR 209/21
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Zum Thema Verkehrsrecht
- Aufsichtspflicht hat Grenzen: Keine Notwendigkeit der Begleitung eines "radfahrerfahrenen" Erstklässlers
- Lenkradgewichte am Tesla: Bußgeld nach Außerfunktionssetzung von Sicherungsmechanismen
- Rechtmäßige Kfz-Sicherstellung: Keine Herausgabe des Schmugglerfahrzeugs bei begründetem Verdacht auf Drogengeschäfte
- Unentbehrlicher Hinweis: Gericht verletzt Hinweispflicht auf mögliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehung
- Verhüllungsverbot schlägt Religionsfreiheit: Gesichtsschleier Nikab bleibt strenggläubiger Muslima hinterm Steuer verboten
Eltern haften für ihre Kinder - meistens. Denn dass diese Regel nicht in Stein gemeißelt ist, zeigt der folgende Fall des Amtsgerichts Kempten (AG). Hier ging es um ein Schulkind, das trotz jungen Alters schon einige Erfahrungen als Radfahrer aufweisen konnte. Was in einem Fall eines solchen "alten Hasen" im Alter eines Erstklässlers im Ernstfall passiert, lesen Sie hier.
Der 7,5 Jahre alte Junge befuhr auf seinem Schulweg unbeaufsichtigt eine Straße mit dem Fahrrad. Von einer Straße, die von links einmündete, kam eine Autofahrerin, um ihrerseits rechts abzubiegen. An der Einbiegung hielt sie ihr Fahrzeug an, doch der Junge fuhr vorne rechts in ihr Fahrzeug. Dabei entstand ein Schaden von 628 EUR, und diesen verlangte die Autofahrerin von den Eltern des Jungen bzw. der privaten Haftpflichtversicherung ersetzt. Die Eltern beriefen sich jedoch darauf, dass sie ihrer Aufsichtspflicht durchaus nachgekommen seien. Der Junge sei schließlich erfahren im Fahrradfahren, er fahre bereits seit geraumer Zeit alleine zur Schule und zu Freunden in der näheren Umgebung. In diesem ihm vertrauten Bereich sei es auch zur Kollision gekommen. Im Zusammenhang mit einer Schulweghelfertätigkeit habe die Mutter auch Gelegenheit gehabt, das Kind in seinem Verhalten im Straßenverkehr zu beobachten.
Das AG wies die Klage ab, da nach dessen Auffassung keine Aufsichtspflichtverletzung durch die Eltern vorlag. Es konnte dem Gericht glaubhaft gemacht werden, dass der Junge im Verkehr erfahren gewesen und von seinen Eltern schon beim Besuch des Kindergartens begleitet und angeleitet worden sei. Die Eltern hatten Gelegenheit, das Verhalten ihres Sohns auch im Rahmen der Schulweghelfertätigkeit zu beobachten. Die Strecke sei dem Jungen vertraut gewesen, es habe daher keine Notwendigkeit bestanden, den Jungen zu begleiten.
Hinweis: In welchem Umfang die elterliche Aufsichtspflicht über am Straßenverkehr teilnehmende Kinder ausgeübt werden muss, hängt von vielen Faktoren ab, wobei das Alter des Kinds eine maßgebliche Rolle spielt, ohne dass diesbezüglich jedoch eine rein schematische Betrachtung zulässig wäre. Ungeachtet dessen ist festzustellen, dass bei einem Schulkind einer unbeaufsichtigten Teilnahme am Straßenverkehr auf vertrauten Strecken in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Elternhaus - erst recht in einem Wohngebiet ohne Durchgangsverkehr - grundsätzlich keine Bedenken entgegenstehen.
Quelle: AG Kempten, Urt. v. 19.02.2025 - 7 C 735/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Was nützt die beste Technik, wenn man sie nicht zu nutzen weiß? So könnte der folgende Autofahrer gedacht haben, dessen Tesla einige technische Details bietet, die Verbrennern eher fremd sind, zum Beispiel einen Autopiloten. So verführerisch es dabei auch sein mag, dessen Sicherheitsmechanismen auszutricksen: Finger weg, sonst landet man schnell vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG), wenn man sich gegen den Bußgeldbescheid zu wehren versucht.
Ein Autofahrer war mit seinem Auto auf der Autobahn unterwegs, einem Tesla, der mit der "Autopilot 3.0 Hardware", der "Standard Autopilot Firmware" und der Option "Autopilot" ausgestattet war. Letztere ermöglicht das selbständige Spurhalten, Lenken und Fahren mit Hinderniserkennung. Bei dieser Einstellung muss der Fahrer zur Überprüfung, dass er das Fahrgeschehen kontrolliert, in regelmäßigen Abständen an das Lenkrad fassen. Außerdem wird durch eine Innenraumkamera erfasst, ob die Augen geöffnet sind. Diese Mechanismen hatte der Fahrer jedoch ausgeschaltet, indem er die Kamera abgeklebt und Gewichte an dem Lenkrad angebracht hatte, die die Handbewegungen simulieren sollten. In einem Streckenabschnitt von ca. 8 km fuhr das Fahrzeug somit autonom, während der Fahrer schlief. Im Rahmen einer Polizeikontrolle fiel dieser Vorgang auf, der Betroffene bekam ein Bußgeld von 250 EUR. Dagegen legte er Rechtsmittel ein, da er der Ansicht war, sich nicht verkehrswidrig verhalten zu haben, da er die Automatisierungsfunktionen genutzt habe.
Das BayObLG entschied jedoch, dass der Fahrer durchaus ein Bußgeld zu zahlen hat - und zwar wegen des Führens eines Kraftfahrzeugs nach Außerfunktionssetzung von Sicherungsmechanismen. Der zulässige Betrieb von vollautomatisierten Fahrfunktionen liege nur dann vor, wenn die entsprechende Klassifikation gegeben sei. Diese richte sich allein nach den vom Bundesministerium für Verkehr vorgenommenen Eingruppierungen. Dass das Fahrzeug durch nicht zulässige Manipulationen auf einen höheren als vom Hersteller vorgesehenen Automatisierungsgrad gehoben wird, spiele keine Rolle. Daher seien die besonderen Vorschriften für die Pflichten eines Fahrzeugführers bei einem hoch- oder vollautomatisierten Fahrzeug nicht anwendbar. Es gelten somit die allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Danach ist das Führen eines Kraftfahrzeugs nach Außerfunktionssetzung der Sicherungsmechanismen des Herstellers bußgeldbewehrt. Ein Bußgeld von 250 EUR erschien dem Gericht auch durchaus als angemessen.
Hinweis: § 23 Abs. 1 Satz 2 Straßenverkehrs-Ordnung verpflichtet den Führer eines Kraftfahrzeugs dazu, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Fahrzeug in einem vorschriftsmäßigen und verkehrssicheren Zustand befindet. Grundsätzlich hat der Kraftfahrer alle an seinem Fahrzeug gegen eine mögliche Verkehrsgefahr vorgesehenen Sicherungseinrichtungen zu nutzen, auch wenn er deren Notwendigkeit nicht durchschaut.
Quelle: BayObLG, Beschl. v. 21.10.2024 - 202 ObOWi 644/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Der Kampf gegen illegale Drogen erinnert oft an das Rennen zwischen Hase und Igel. Im Folgenden war endlich mal wieder der "Hase" erfolgreich, und zwar in Einheit von Zollfahndung und Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG). Der Zoll entdeckte das eindeutig als Schmugglerfahrzeug erkennbare Auto und stellte es sicher. Und das Gericht musste nun entscheiden, ob die Klage auf Herausgabe des Fahrzeugs berechtigt ist.
Zollbeamte hatten den Kläger auf einer Bundesautobahn kontrolliert. Der Mann gab dabei an, nicht mehr als 10.000 EUR Bargeld mit sich zu führen und auf dem Rückweg nach Zürich zu sein. Dennoch entdeckte die Zollfahndung in einem professionellen Versteck der Rücksitzbank mehr als 1 Mio. EUR, überwiegend in 20-EUR- und 50-EUR-Banknoten. Das Versteck war mit einer Fernbedienung zu öffnen, die der Kläger an seinem Schlüsselbund trug. Mittels sogenannter Drugwipetests stellten die Zollbeamten zudem Kokainanhaftungen an dem Bargeld sowie an Lenkrad und Schaltung des Fahrzeugs fest. Im Navigationsgerät des Autos war die Route Zürich-Arnheim-Dongen-Amersfort-Mailand aktiv. In den Vordersitzen waren weitere Verstecke aufwendig verbaut.
Die auf Aufhebung der Sicherstellung und Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Klage hat das VG nun abgewiesen. Das Gericht ist überzeugt, dass das Bargeld aus Drogengeschäften stammt und das Fahrzeug für dessen Transport genutzt wurde. Dies dränge sich bei derartigen Verstecken auf. Der Kläger konnte die Herkunft des Bargelds nicht plausibel erklären. Die aktive Route im Navigationssystem des Fahrzeugs mit Ziel in Mailand widerlegte zudem seine Angabe, er fahre von den Niederlanden nach Zürich zurück. Bei Rückgabe des Fahrzeugs würde der Kläger es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut für Kurierfahrten von Drogengeld oder Drogen benutzen. Die von ihm hilfsweise verlangte Herausgabe nach Ausbau der Sitze komme nicht in Betracht. Denn dem Zoll obliege nicht der aufwendige Umbau des Autos, damit der Kläger dies nicht mehr (zeitnah) zum Drogengeldtransport einsetzen könne. Eine Herausgabe mit der Pflicht zum Umbau durch den Kläger komme aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr ebenso wenig in Betracht. Die Rechtsordnung müsse nicht die Unsicherheit hinnehmen, ob der in der Schweiz wohnhafte Kläger der Pflicht nachkäme.
Hinweis: Die Sicherstellung des Fahrzeugs war rechtmäßig. Die Zollbehörden haben zu Recht eine von dem Fahrzeug ausgehende gegenwärtige Gefahr für die Rechtsordnung angenommen. Gegenwärtig ist eine Gefahr dann, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar bzw. in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Vorliegend durfte die Behörde annehmen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass das Fahrzeug des Klägers in allernächster Zeit (erneut) für den illegalen Transport von Drogen bzw. Drogengeldern verwendet wird.
Quelle: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 28.04.2025 - 17 K 2963/20
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Es macht einen großen Unterschied, wessen man beschuldigt wird - ob der Fahrlässigkeit oder des Vorsatzes. Was einem im schlimmsten Fall blühen kann, muss man als Beschuldigter schließlich wissen. Im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) war es dem Wiederholungstäter und seinem Anwalt erst gar nicht möglich gewesen, sich ordentlich vorzubereiten. Und zwar nicht, weil beide nicht erschienen waren, sondern wegen einer Nachlässigkeit des Amtsgerichts (AG).
Ein Autofahrer wurde mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h erwischt, so dass gegen ihn ein Bußgeldbescheid in Höhe von 385 EUR und einem Monat Fahrverbot erging. Das Bußgeld war aufgrund mehrerer Voreintragungen erhöht worden, weil eine fahrlässige Begehungsweise zugrunde gelegt wurde. Gegen diesen Bescheid legte der Betroffene Einspruch ein.
Vor dem Hauptverhandlungstermin wies das zunächst zuständige AG darauf hin, dass aufgrund der Beschilderung durch sogenannte Geschwindigkeitstrichter eine Erhöhung der Geldbuße wegen "grob fahrlässiger" Begehungsweise erfolgen könnte. Da weder der Betroffene noch der Verteidiger erschien, wurde in Abwesenheit verhandelt und im Protokoll darauf verwiesen, "dass die Problematik der vorsätzlichen Begehung" erörtert wurde. Daraufhin erfolgte eine Verurteilung zu einem Bußgeld in Höhe von 640 EUR wegen vorsätzlicher Begehung. Der Betroffene legte Rechtsbeschwerde ein, er sei zuvor nicht informiert worden, dass zudem ein Vorsatz im Raum stehe.
Das OLG gab dem Betroffenen Recht. Das AG war seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, auf die mögliche Verurteilung wegen Vorsatzes hinzuweisen. Der Hinweis sei nicht entbehrlich gewesen, da sich aus der Bußgeldhöhe ergeben habe, dass die Bußgeldstelle von einer fahrlässigen Begehung ausgegangen sei. Außerdem habe das Gericht in seiner Ladung auf die Möglichkeit der Verurteilung wegen "grober Fahrlässigkeit" hingewiesen, daher habe der Betroffene erst recht darauf vertrauen dürfen, nicht wegen Vorsatzes verurteilt zu werden. Die Erörterung in Abwesenheit genüge nicht. Das Urteil wurde durch das OLG daher aufgehoben und an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Hinweis: Hat das Gericht den Betroffenen und seinen Verteidiger in der Ladungsverfügung auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit hingewiesen, nicht aber auf eine solche wegen Vorsatzes, darf der Betroffene mit Blick auf diesen Hinweis darauf vertrauen, nicht wegen einer Vorsatztat verurteilt zu werden.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 10.02.2025 - 1 ORbs 4/25
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Oft wird vermutet, dass Grundrechte immer und überall andere rechtliche Bedenken schlagen. Klingt logisch - ist es aber nicht. Das zeigt besonders dieses Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG): Hier war die Religionsfreiheit mit der Sicherheit im Straßenverkehr abzuwägen - und es war nicht unerheblich, dass es hierbei auch um die Sicherheit anderer ging.
Die Klägerin beantragte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer das Gesicht verhüllenden, lediglich die Augen freilassenden Verschleierung, einer sogenannten Nikab. Die 33-jährige Deutsche berief sich dabei auf ihren muslimischen Glauben. Sie wolle "zu den besten Frauen des Propheten gehören" und selbst darüber entscheiden, wer wie viel von ihrem Körper bzw. ihrem Gesicht sehen dürfe. Mit Bescheid vom 22.01.2024 lehnte die Berliner Senatsverwaltung die begehrte Ausnahmegenehmigung ab. Von dem gesetzlichen Verbot, das Gesicht beim Führen eines Kraftfahrzeugs so zu verhüllen oder zu verdecken, dass der Fahrzeugführer nicht mehr erkennbar ist, sei im Fall der Klägerin keine Ausnahme zu machen. Genau dagegen klagte die Frau.
Das VG hat die Klage jedoch abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil sich Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer. Diesen Gesichtspunkten gegenüber wiegt der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheint der Vorschlag der Klägerin, eine Nikab mit einem "einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code" zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Nikab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code erstellt wurde.
Hinweis: Die Entscheidung entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. So hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in einem Beschluss vom 13.08.2024 (7 A 10660/23.OVG) argumentiert, dass die Straßenverkehrs-Ordnung einem Autofahrer in § 23 Abs. 4 verbietet, das Gesicht "so zu verhüllen oder zu verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist".
Quelle: VG Berlin, Urt. v. 27.01.2025 - 11 K 61/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Bei Datenschutzverstößen: BGH urteilt über Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden
- Bitte setzen! Hitzeschützende Fußmatten gehören nicht zur Verkehrssicherungspflicht von Dampfsaunabetreibern
- Datenverarbeitung ohne Rechtsgrundlage: Meta muss Persönlichkeitsprofile löschen und Schadensersatz zahlen
- Hecken sind Ländersache: In Hessen zählt statt Höhenbegrenzung nur Mindestabstand zum Nachbarn
- Vorbeugung von Missbrauch: Festivalbetreiber darf Rücktauschfrist und Betragsgrenze von Token festsetzen
Im folgenden Fall ging es um einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Informationspflichten der wohl immer noch bekanntesten Social-Media-Plattform. Dagegen geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein - und zwar ohne expliziten Auftrag eines von diesem Datenschutzverstoß Betroffenen. Bevor er die Klage inhaltlich und rechtlich bewerten konnte, musste der Bundesgerichtshof (BGH) zuerst einmal klären: Darf der Verbraucherschutzverein das überhaupt?
In dem Fall ging es um das soziale Netzwerk Facebook. Nutzer konnten dort über ein "App-Zentrum" Spiele starten. Vor dem Start erschien ein Hinweis, dass die Spieleanbieter auf viele persönliche Daten zugreifen dürfen - etwa E-Mail-Adresse, Statusmeldungen oder Fotos. Außerdem hieß es, dass die Anwendung in ihrem Namen posten dürfe. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fand das nicht in Ordnung und meinte, die Nutzer würden nicht klar genug über die Datenverwendung informiert. Das sei nicht nur ein Verstoß gegen Datenschutzregeln, sondern auch wettbewerbswidrig. Deshalb wollte er Facebook per Klage verbieten lassen, solche Hinweise zu verwenden. Facebook sah das anders und wehrte sich bis vor den BGH.
Der BGH aber gab den Verbraucherschützern Recht: Verbände dürfen klagen, wenn Datenschutzvorgaben verletzt werden - und zwar auch, ohne dass ein Betroffener mitmacht. Es reiche völlig aus, wenn viele Menschen potentiell betroffen sind. Die Richter stimmten zudem der Annahme zu, dass die Hinweise im App-Zentrum unklar und unvollständig waren. Die Nutzer würden nicht verständlich darüber informiert werden, welche Daten wie und warum verarbeitet werden. Genau solche Informationen seien aber wichtig, damit Menschen bewusst entscheiden können, ob sie zustimmen wollen oder nicht. Deshalb dürfen Verbraucherschutzverbände hier einschreiten.
Hinweis: Verbraucherschutzverbände können gegen Datenschutzverstöße auch vorgehen, wenn keine einzelne betroffene Person klagt. Unternehmen müssen Nutzer klar und verständlich über die Datenverarbeitung informieren. Unklare Hinweise verstoßen häufig gegen Datenschutz- und Wettbewerbsrecht.
Quelle: BGH, Urt. v. 27.03.2025 - I ZR 186/17
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Haben Sie schon längere Zeit in einer Sauna gestanden oder andere dort stehend verweilen sehen? Der folgende Fall des Landgerichts Coburg (LG) macht klar, warum das aller Wahrscheinlichkeit nicht so ist. Die folglich zu klärende Frage war, ob ein Saunabetreiber für Verbrennungen an den Füßen eines Gastes haften muss, der beim Verlassen einer Sauna länger stehenblieb und sich dabei verletzt hatte.
Ein Mann wollte sich in einer Sauna entspannen, die etwa 90 °C Betriebstemperatur aufwies. Beim Hinausgehen blieb der Mann noch ein bis zwei Minuten auf den Kunststoffmatten in der Nähe des heißen Saunaofens stehen, um mit einem Bekannten zu plaudern. Kurz darauf schmerzten seine Füße, und es stellte sich heraus, dass er sich beim abschließenden Schwätzchen Verbrennungen zugezogen hatte, die ärztlich behandelt werden mussten. Der Mann verlangte daraufhin 5.000 EUR Schmerzensgeld vom Betreiber der Saunalandschaft, da er meinte, der Boden sei zu heiß gewesen und die Kunststoffmatten hätten ihn nicht vor der Hitze geschützt.
Das LG wies die Klage jedoch ab. Das Gericht war der Auffassung, dass der Betreiber keine Schuld trägt. Die Temperaturen am Boden seien mit 55 °C bis 60 °C für diese Art Sauna normal. Die Matten seien rutschfest und damit für ihren eigentlichen Zweck geeignet gewesen - Hitzeschutz gehörte nicht dazu. Außerdem sei es unüblich, lange an einer Stelle auf dem heißen Boden zu stehen. Die Sauna sei ein Ort der Ruhe - kein Platz für längere Gespräche. Dass es bei langem Stehen zu Verbrennungen kommen kann, sei jedem klar. Der Betreiber müsse daher auch keine besonderen Schutzmaßnahmen für solche Situationen treffen.
Hinweis: Die Sauna ist kein Treffpunkt für Smalltalk im Stehen, sondern dient der Entspannung. Wer zu lange steht, riskiert Verletzungen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Quelle: LG Coburg, Urt. v. 18.11.2024 - 52 O 439/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Der Meta-Konzern und der Datenschutz - eine Kombination, die offensichtlich nie zueinander passen wird. Denn wie heißt es so schön: Wenn du für ein Produkt nichts zahlst, bist womöglich du das Produkt. Das Landgericht Berlin II (LG) hat diesem Denken und vor allem Handeln jedoch einen Riegel vorgeschoben, was personenbezogene Daten angeht, die über sogenannte Meta-Business-Tools gesammelt wurden.
Die Betroffenen hatten geklagt, weil Meta ihre Aktivitäten auf vielen Websites und in Apps mitverfolgt und ausgewertet haben soll. Diese Websites nutzten die sogenannten Meta-Business-Tools, die Daten automatisch an Meta weiterleiten - oft, ohne dass Nutzer davon etwas mitbekommen. So konnte Meta zum Beispiel erfahren, ob jemand eine Apotheke besucht, eine politische Meinung äußert oder ob ein Suchtrisiko bestehe. Die gesammelten Infos wurden laut Gericht genutzt, um Persönlichkeitsprofile zu erstellen, ohne dass die Nutzer das erlaubt hatten. Meta meinte, nicht selbst verantwortlich zu sein, da es die jeweiligen Websitebetreiber seien, die die Tools einsetzen. Außerdem würden persönliche Daten nur genutzt, wenn jemand eingewilligt habe - sonst nur zu Zwecken wie Sicherheit oder Systemschutz.
Das sah das LG jedoch anders und entschied, dass Meta die Daten ohne gültige Einwilligung verarbeitet und damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen habe. Deshalb müssen die Daten gelöscht oder anonymisiert werden. Und weil dabei Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, bekommt jeder Betroffene 2.000 EUR Schadensersatz.
Hinweis: Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig - Meta kann dagegen Berufung einlegen. Wer Onlinedienste nutzt, muss sich jedoch auf den Schutz der eigenen Daten verlassen können. Persönlichkeitsprofile ohne Zustimmung zu erstellen, ist nicht erlaubt. Gerichte schützen hier die Rechte der Nutzer.
Quelle: LG Berlin II, Urt. v. 04.04.2025 - 39 O 56/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Wie hoch eine Hecke sein darf, entscheidet das jeweilige Landesrecht. Um einem Zwist mit Grundstücksnachbarn vorzubeugen, sollte der Zollstock dabei jedoch nicht nur in die Höhe gereckt werden. Denn der Abstand zum jeweiligen Nachbarn ist für eine Hecke, die hoch hinaus will, fast noch wichtiger. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich nun mit einem hessischen Bambusgewächs und den diesbezüglichen Urteilen der Vorinstanzen beschäftigen.
In dem Fall ging es um zwei Grundstücke in Hessen. Die Beklagte hatte auf einer alten Aufschüttung an der Grenze zu ihrem Nachbarn Bambus gepflanzt. Und dieser tat, was von einem gesund gedeihenden Bambus erwartet wird: Er wuchs tüchtig, so dass bei sechs bis sieben Metern Schluss war mit der Geduld des Grundstücksnachbarn. Dieser verlangte, dass die Pflanzen auf drei Meter zurückgeschnitten werden. Das Landgericht gab ihm noch recht, das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage dann jedoch ab - nun war der BGH gefragt.
Der BGH hob das Urteil auf - aber nicht, weil der Bambus zu hoch war, sondern wegen eines Verfahrensfehlers des OLG. Das war zwar davon ausgegangen, dass der Nachbar den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von 75 cm zur Grenze eingehalten habe, woran der BGH jedoch so seine Zweifel hegte. Daher muss das OLG nun prüfen, ob der Abstand auch wirklich eingehalten wurde. Denn grundsätzlich gilt: Nur wenn eine Hecke zu nah an der Grenze steht, kann ein Rückschnitt verlangt werden. Eine Maximalhöhe für Hecken gibt es in Hessen dabei nicht, nur eben die Vorschrift, dass Hecken von zwei Metern Höhe den erwähnten Mindestabstand zum Nachbargrundstück einhalten müssen. Wichtig war in diesem Fall, auch zu betonen, dass die zulässige Höhe dabei vom Boden des Grundstücks gemessen wird, auf dem die Hecke steht - auch wenn dieses höher liegt als das Nachbargrundstück, so wie hier durch eine Aufschüttung. Nur wenn das Gelände künstlich aufgeschüttet wurde, um die Pflanzen höher wirken zu lassen, zähle das ursprüngliche Bodenniveau. Im vorliegenden Fall war die Aufschüttung aber schon Jahrzehnte alt. Deshalb ist der Bambus trotz seiner Höhe möglicherweise erlaubt.
Hinweis: Hecken dürfen grundsätzlich so hoch wachsen, wie es das jeweilige Landesrecht erlaubt. Eine feste Höhengrenze - zum Beispiel drei Meter - gibt es nicht automatisch. Wichtig ist vor allem der Abstand zur Grundstücksgrenze.
Quelle: BGH, Urt. v. 28.03.2025 - V ZR 185/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Ein Token - einst der Begriff für einen frühgeschichtlichen Rechenstein - hat sich heute zwar ins Digitale verflüchtigt, dabei aber nicht an Wert verloren. So gelten Bitcoins als Token oder auch Wertmarken auf Festivals - eine praktische Sache für beide Seiten an den dortigen Verkaufstheken. Was aber damit passiert, wenn man zu viel davon gekauft hat und nach der Veranstaltung weder Lust noch Zeit für einen sofortigen Umtausch hat, musste das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entscheiden.
Bei einem großen Musikfestival durften Besucher nur mit speziellen Token bezahlen, etwa für Essen und Getränke. Diese Token konnte man nur direkt auf dem Festivalgelände kaufen - und auch nur dort wieder zurücktauschen. Die Regeln des Veranstalters sahen vor: Der Rücktausch ist nur während der Öffnungszeiten an den Festivalkassen und nur bis zu einem Höchstwert von 50 EUR möglich. Nach dem Festival oder im nächsten Jahr ist eine Rückgabe nicht mehr erlaubt. Ein Verbraucherschutzverband klagte dagegen. Die Begründung: Gerade am Ende des Festivals sei der Andrang groß. Manche könnten ihre restlichen Token nicht mehr loswerden - zum Beispiel, weil sie schnell zum Zug müssten. Auch die Grenze von 50 EUR sei unfair, da die Besucher vorab nicht wissen könnten, wie viel sie auf dem Gelände brauchen.
Das OLG sah das anders. Es hielt die Regelungen durchaus für rechtens. Die Rücktauschfrist sei zugegeben zwar kurz, deshalb aber nicht automatisch unangemessen. Besucher wüssten schließlich vorher, dass die Token nur auf dem aktuellen Festival gelten. Außerdem sei ein späterer Rücktausch aufwendig - und zwar für beide Seiten. Eine Rückgabe nach dem Festival oder gar erst im nächsten Jahr würde zudem die Gefahr erhöhen, dass gefälschte Token auftauchen. Auch die Grenze von 50 EUR sei verständlich. Laut Veranstalter geben die meisten Besucher sowieso höchstens 35 EUR pro Tag aus. Wer deutlich mehr Token zurückgeben wolle, handle daher eher ungewöhnlich - was ein Hinweis auf Missbrauch sein könne.
Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht endgültig. Der Bundesgerichtshof soll in der nächsten Instanz klären, ob solche Fristen grundsätzlich erlaubt sind.
Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.04.2025 - I-20 UKl 9/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)